Die FDP kämpft gegen harte Corona-Regeln – und intern
Eine Verschärfung der Corona-Regeln ist beschlossen. Doch einen harten Lockdown wird es nicht geben – obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ihn nicht generell ausschließen. Diese abwartende Haltung verwundert angesichts hoher Zahlen und der drohenden Omikron-Welle. Steckt die FDP dahinter?
Keine Angst vor klaren Ansagen und unpopulären Forderungen – so hat die Bundesrepublik den SPD-Politiker Karl Lauterbach in der Corona-Pandemie kennengelernt. Doch seit seiner Ernennung zum Gesundheitsminister der Ampel-Koalition ist er merklich zahmer geworden.
Gesundheitsminister Lauterbach hält sich mehr zurück
Am 11. Dezember vergangenen Jahres forderte Lauterbach noch auf Twitter: „Es muss schnellstens ein bundesweiter Lockdown kommen. 30.000 Neuinfizierte und 600 Tote an einem Tag (!) ohne Besserung in Sicht. So können wir nicht Weihnachten feiern.“ Ein Jahr später meldet das RKI 44.927 Neuinfektionen und 425 Corona-Tote (Stand 23. Dezember). Und Lauterbach? Schließt einen Lockdown vorerst aus – zum Ärger von RKI-Chef Lothar Wieler.
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Grund für die neue Zurückhaltung dürfte der Druck der Liberalen sein. Die FDP habe Scholz wohl deutlich zu verstehen gegeben, dass es mit ihr keinen flächendeckenden Lockdown mehr geben wird, so ist es zu vernehmen. Unter der Regierung der Großen Koalition waren die Liberalen die schärfsten Kritiker der Corona-Maßnahmen.
FDP hat sich in der Regierungsverantwortung entzweit
Doch ein genauerer Blick auf die gelbe Partei zeigt: Zwei Herzen schlagen nun in ihrer Brust. Die Liberalen haben sich in der Regierungsverantwortung entzweit: in Realpolitiker und Idealisten. Von der früheren vereinten Ablehnung der Partei gegenüber jeglichen Eingriffen in das Leben der Menschen ist derzeit nicht mehr viel übrig. Beim Thema Lockdown herrscht unter den Liberalen zwar noch Einigkeit, die Impfpflicht-Debatte sorgt intern jedoch für erheblichen Ärger.
„Ich bin gegen eine allgemeine Impfpflicht, weil es meinem ganzen Menschenbild widerspricht“, begründet der Parteivize Wolfgang Kubicki seine Position. Deshalb führt er nun in maßgeschneidertem Anzug die fundamentalen Freiheitskämpfer seiner Partei an. Sie wollen eine mögliche allgemeine Impfpflicht mit einem Antrag verhindern und stattdessen auf Angebote und Aufklärung setzen. Mehr als 20 Abgeordnete hat Kubicki bereits hinter sich versammelt.
Parteivize Kubicki stellt sich gegen FDP-Chef Lindner
Der Parteivize stellt sich damit gegen FDP-Chef Christian Lindner. Dieser scheint nicht mehr an einen Sieg der Vernunft im Land zu glauben. Er tendiert mittlerweile zu der Einführung einer Impfpflicht. Genau wie der designierte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Verkehrsminister Volker Wissing.
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Während Wissing Anfang November als Generalsekretär noch klarstellte, dass es mit der FDP keine Impfpflicht geben werde, räumte er Anfang Dezember ein: „Eine Impfpflicht müssen wir prüfen, um unser Gesundheitssystem vor einem Zusammenbruch und unsere Gesellschaft vor immer neuen Lockdowns zu schützen.“
Anders als Kubicki haben etliche FDP-Politiker erkannt: Ganz ohne vorgeschriebene Corona-Maßnahmen bekommt man die Pandemie nicht in den Griff. Das Vertrauen auf die moralische Verantwortung des Einzelnen ist gescheitert. Den Realos unter den Liberalen ist klar: Ein Lockdown schränkt alle ein. Die Impfpflicht kann hingegen die Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft sichern.