Gegendemo in Hamburg: Deshalb protestieren wir gegen Querdenker
Mehrere tausend Menschen gingen an den vergangenen Samstagen gegen die Corona-Politik auf die Straße – zuletzt waren es fast 14.000 Teilnehmer. Hamburg wurde zu einem Hotspot der Demos gegen Impfungen und Corona-Maßnahmen. An diesem Samstag kommt es erstmals zu einem großen Gegenprotest: Das Hamburger „Bündnis gegen Rechts” hat unter dem Motto „Solidarität und Aufklärung statt Verschwörungsideologien“ zur Demo gegen Corona-Leugner:innen und Impfgegner:innen aufgerufen – und wird dabei etwa Fridays for Future, dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni Hamburg oder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie Einzelpersonen und anderen Hamburger Institutionen unterstützt.
Um 12.30 Uhr treffen sich die Demonstrierenden am Dammtor und ziehen über den Gänsemarkt und Jungfernstieg bis zur Abschlusskundgebung in der Mönckebergstraße Höhe Gerhart-Hauptmann-Platz. 1000 Teilnehmer sind angemeldet. Die MOPO hat Unterstützer gefragt, warum ihnen der Protest so wichtig ist.
„Mit Nazis, Reichsbürgern und anderen geistigen Brandstiftern zu marschieren, ist widerwärtig.“
Kersten Artus (57), Vorsitzende von pro familia Hamburg: „Als pro familia Hamburg finden wir es wichtig, mitzudemonstrieren. Gerade in diesen Zeiten braucht es breiten Widerstand gegen Falschdarstellungen und Angstmacherei. Wenn wir heute auf die Straße gehen, zeigen wir auch Haltung gegen Egoismus. Die Freiheit, die Verschwörer hochhalten, hat nicht mehr viel mit demokratischen Rechten zu tun. Sondern ist reine Selbstdarstellung. Dass dafür sogar in Kauf genommen wird, mit Nazis, Reichsbürgern und anderen geistigen Brandstiftern zu marschieren, die Mordaufrufe starten, ist widerwärtig.“
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„Hass und Hetze haben auf unseren Straßen nichts zu suchen.“
Berthold Bose (58), Leiter ver.di-Landesbezirk Hamburg: „Es ist unerträglich, wenn rechte Gruppierungen und Antidemokraten Demonstrationen zu Grundrechtsfragen als Deckmantel nutzen, um ihre Parolen und Anfeindungen durch Hamburg tragen. Hass und Hetze haben auf unseren Straßen nichts zu suchen. Dagegen treten wir ein und rufen die Hamburger Bevölkerung auf, am 15.1. klare Haltung gegen Rechts zu zeigen. Demonstrieren und für Rechte und Meinungen einzutreten, ist ein Grundrecht. Aber das verlangt auch die Akzeptanz der Demokratie und unseres Grundgesetzes.“
„Wir demonstrieren stellvertretend für die Mehrheit der Gesellschaft”
Jenny Jasberg (38), Vorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Die Gegendemo ist ein wichtiges Zeichen gegen die Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Ignoranz von Impfgegner*innen in unserer Stadt. Wir demonstrieren stellvertretend für die Mehrheit der Gesellschaft. Die Pandemie setzt uns alle unter Druck. Gerade in dieser Situation benötigen wir aber Solidarität und Mitgefühl statt Spaltungsversuche. Zugleich ist es wichtig, dass der Infektionsschutz auf Demos mit vielen Menschen eingehalten wird. Deshalb begrüße ich, dass die ursprünglich angemeldeten Proteste gegen Corona-Maßnahmen untersagt wurden, da die Veranstalter*innen dies nicht gewähren konnten oder wollten.”
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„…unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist Wissenschaftsfeindschaft entgegenzuwirken!“
Sarah Rambatz (28), Referentin für Erinnerung im AStA der Universität Hamburg: „Wir rufen als ASten der UHH und HAW zur Teilnahme an der Demonstration auf, weil es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Wissenschaftsfeindschaft entgegenzuwirken! Auch an der Universität Hamburg und der HAW waren zuletzt immer wieder Coronaleugner:innen aktiv und versuchen aus egoistischen Beweggründen die Mehrheit der Studierenden in ein schlechtes Licht zu rücken. Des Weiteren verstärken die Coronaleugnenden die Radikalisierung der bürgerlichen Mitte und es zeigt sich immer wieder Rassismus und Antisemitismus. Wir treten für die Studierenden ein, welche sich mehrheitlich an die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung halten.“
„Ich bin von der Pandemie genauso genervt…”
Hilde Vollmayr (66) von Omas gegen Rechts: „Ich bin von der Pandemie genauso genervt wie die meisten anderen Menschen. Dass in Hamburg so viele Menschen mit Verschwörungsgläubigen und Rechtsextremen in den letzten Wochen auf die Straße gegangen sind, hat mich sehr besorgt. Ich hoffe wir können ein deutliches Zeichen für ein solidarisches Miteinander und gegen Rechts setzen.”
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„Mich empört es, dass Impfgegner mit Neonazis, Antisemiten und Verschwörungstheoretikern marschieren”
Deniz Celik (43), gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion: „Mich empört es, dass in Hamburg Impfgegner mit Neonazis, Antisemiten und Verschwörungstheoretikern gemeinsam marschieren. Am Samstag möchte ich gegen Verschwörungsideologien und für eine sozial gerechte und solidarische Pandemiepolitik ein Zeichen setzen. Statt Egoismus und Wissenschaftsfeindlichkeit brauchen wir bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Pflegekräfte, ein öffentliches Gesundheitssystem frei von Renditeinteressen sowie die Freigabe der Impfpatente, um die globale Pandemie zu überwinden.”
„Das hat nichts mit Widerstand zu tun”
Inga Mühlheims (22), Sprecherin von Fridays for Future: „Es ist unglaublich gefährlich, dass sich gerade rechte, antisemitische und demokratiegefährendene Meinungen in Massen zusammenfinden. Wir müssen mit wissenschaftlichen Fakten arbeiten. Es hat nichts mit konstruktiver Kritik, legitimer Skepsis und erst recht nichts mit Widerstand zu tun, mit Nazis zu demonstrieren, die Coronapolitik mit dem Holocaust zu vergleichen oder die Wissenschaft zu leugnen, kurz: Menschen in Gefahr zu bringen. Es braucht klare Gegenpositionen – es braucht Solidarität.“
„Lasst euch endlich impfen!”
Aija Deichmann (26), Sprechern von Grüne Jugend Hamburg: „Während die meisten Menschen – und gerade junge Menschen – seit Monaten solidarisch sind, verbreiten erschreckend viele andere rechte Verschwörungsideologien und hetzen gegen die notwendigen Schutzmaßnahmen. Dabei haben junge Menschen, insbesondere solche aus Arbeiter*innen-Familien und migrantischen Communities, ohnehin mit genügend Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Wir appellieren an die Solidarität aller, die Corona verharmlosen und fordern: Lasst euch endlich impfen!“
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„Eine Mobilisierung der Mitte ist unerlässlich.“
Tom Hinzmann (25), Landesvorsitzender der Jusos Hamburg: „Die deutliche Mehrheit der Bürger:innen dieser Stadt befürwortet die Corona-Maßnahmen und ist geimpft bzw. schon geboostert. Diese gesamtgesellschaftliche Mehrheit muss sich dem zunehmend von Rechtsradikalen und Wissenschaftsleugner:innen geprägten Protest sichtbar entgegenstellen, um dem Mythos einer Spaltung der Gesellschaft und anti-demokratischen Tendenzen entgegenzuwirken. Eine Mobilisierung der Mitte ist somit unerlässlich.“