Wirtschaftskrimi um Katastrophen-Kahn „Gorch Fock“ landet vor Gericht
Die teure Sanierung des Schulschiffs „Gorch Fock“ war politisch umstritten. Daneben gab es einen Kriminalfall mit Beteiligten bei Schiffbaubetrieben. Nun bekommen viele Post vom Staatsanwalt.
Im Wirtschaftskrimi um die Sanierung der „Gorch Fock“ auf der Elsflether Werft sollen zwei frühere Werftvorstände und weitere Beteiligte sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück teilte am Montag mit, sie habe die Vorstände wegen Vorteilsgewährung, Untreue, unerlaubter Bankgeschäfte und Insolvenzverschleppung angeklagt. Ebenfalls angeklagt wurde ein ziviler Mitarbeiter der Marine in Wilhelmshaven. Er war für die Prüfung von Marinezahlungen in Sachen „Gorch Fock“ an die Elsflether Werft zuständig. Der Mann soll von dem Unternehmen Kredite von insgesamt 800.000 Euro bekommen haben.
Wirtschaftskrimi um „Gorch Fock“ landet vor Gericht
Die kleine Werft an der Unterweser hatte ab Dezember 2015 den Hauptauftrag zur Generalüberholung der „Gorch Fock“. Deren Kosten explodierten von geplanten zehn Millionen Euro auf schließlich 135 Millionen Euro. In der Diskussion über die hohen Kosten geriet um den Jahreswechsel 2018/19 auch das Geschäftsgebaren der Elsflether Werft AG in den Fokus. Im Februar 2019 meldete die Werft Insolvenz an.
Drei Jahre durchleuchteten Ermittler das Beziehungsgeflecht zwischen Werft, vielen Subunternehmern in der Region und der Marine. Die Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Osnabrück und die Sonderkommission „Wasser“ der Polizei Oldenburg führten insgesamt mehr als 115 Verfahren. Neben den Anklagen erging den Angaben nach ein Strafbefehl über 10.000 Euro an einen Zulieferer. Dutzende Verfahren wurden gegen Geldauflage eingestellt.
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Der Oldenburger Anwalt eines Ex-Werftvorstands bestätigte auf Anfrage den Eingang der Anklageschrift. Inhaltlich wolle man sich aber nicht äußern. Auch der zweite angeklagte Vorstand, ein Hamburger Anwalt, lehnte eine Stellungnahme ab. Das Landgericht Oldenburg muss noch über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.
Allein in dem Fall des bestechlichen Marineangestellten gibt es sechs Angeklagte. Neben ihm sind es die zwei Vorstände, einer ihrer Mitarbeiter sowie der Geschäftsführer und die Prokuristin eines Zulieferers aus Heikendorf bei Kiel. Die Staatsanwaltschaft stellte zu diesen Korruptionsermittlungen aber klar: „Ein Zusammenhang zwischen der Annahme der Darlehen und der Kostenexplosion bei der Instandsetzung der ‚Gorch Fock‘ konnte nicht hergestellt werden.“
„Gorch Fock“: Kosten steigen immer weiter
Die steigenden Kosten gingen eher darauf zurück, dass an dem maroden Dreimaster mit der Zeit immer mehr Stellen entdeckt wurden, die repariert werden mussten. Der wachsende Finanzierungsbedarf wurde von der Bundeswehr bis hinauf zur damaligen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) immer wieder abgenickt.
Nach der Insolvenz der Elsflether Werft entschied von der Leyen, das Schiff auf der Bremer Lürssen-Werft fertigstellen zu lassen. Diese lieferte die runderneuerte Bark Ende September 2021 bei der Marine ab. Derzeit liegt die „Gorch Fock“ vor Teneriffa. Sie wartet nach einer Verzögerung wegen Corona-Fällen auf die Offiziersanwärter und -anwärterinnen für eine erste Ausbildungsfahrt.
Schaden: 6,9 Millionen Euro
Allein 60 Verfahren betrafen Preisabsprachen zwischen der Elsflether Werft und ihren Subunternehmern zu Lasten der Bundeswehr. Die Ermittler errechneten daraus einen Schaden von 6,9 Millionen Euro. Die Führung der Heikendorfer Firma sowie der Geschäftsführer eines weiteren Zulieferers wurden wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr beim Amtsgericht Brake angeklagt.
Die Ermittlungen gegen die Werftvorstände wegen dieses Betrugs am Bund laufen nach Angaben der Staatsanwaltschaft weiter. Wegen Beihilfe wurde gegen 24 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Elsflether Werft ermittelt. Diese Verfahren seien gegen Geldauflagen eingestellt worden. Die Mitarbeiter seien „in ein langjähriges System eingebunden“ gewesen, sie hätten aber bei der Aufklärung geholfen, sagte ein Sprecher.
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Die Vorstände sollen den Angaben nach seit 2015 auch fast elf Millionen Euro als Darlehen in Nebengeschäfte gesteckt haben. Diese reichten bis zu Goldminen in der Mongolei. Aussichten auf Rückzahlung habe es seit Mai 2018 nicht mehr gegeben, seit damals sei die Werft zahlungsunfähig gewesen. Darauf beziehen sich die Anklagen wegen Untreue, unerlaubter Bankgeschäfte und Insolvenzverschleppung. Über die Anklagen hatten zuerst „The Pioneer“ und der „Spiegel“ berichtet. (dpa/se)