So meisterte Baerbock den Lawrow-Test
Er gilt als der weltweit wohl schwierigste Gesprächspartner auf dem diplomatischen Parkett: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist am Dienstag in Moskau mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow zusammengetroffen. Die Atmosphäre war eisig. Trotzdem keimt ein wenig Friedens-Hoffnung.
Wenn sich zwei Außenminister gut verstehen, sind sie schnell mal beim „Du“. Doch so vertraut wollen Baerbock und Lawrow gar nicht sein. Baerbock, von einer Bindehautentzündung geplagt, sprach den 71-Jährigen konsequent mit „Herr Kollege“ an. Und noch nicht mal einen gemeinsamen Händedruck für die Fotografen gab es zum Abschied.
Russland verpackt alte Vorwürfe neu
Baerbock war sichtlich bemüht, in der Höhle des russischen Bären klare Kante zu zeigen. Gesprächsthemen hatten die beiden Politiker mehr als genug. Der Kreml hatte vor dem Treffen eine Liste veröffentlicht, was die Bundesregierung angeblich alles falsch mache. So unterstütze sie die „Einschnürung“ Russlands „auf vielen Ebenen“, weise unter „fadenscheinigen Argumenten“ russische Diplomaten aus (Tiergartenmord und Alexander Nawalny) und verbiete dem russischen Sender RT Deutsch, in der Bundesrepublik zu senden. Die Vorwürfe sind altbekannt und größtenteils absurd.
Aber auch Baerbock hielt mit ihren Vorwürfen nicht hinter den Berg. „Es ist schwer, das nicht als Drohung zu verstehen“, sagte sie mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Lawrow hatte zuvor erklärt, Russland bedrohe niemanden, nehme Drohungen gegen sich selbst aber genau wahr.
Nord Stream 2: Gabriel widerspricht Scholz
„Wir haben keine andere Wahl, als unsere gemeinsamen Regeln zu verteidigen, auch wenn dies einen hohen wirtschaftlichen Preis hat“, sagte Baerbock im Kreml mit Blick auf einen möglichen Krieg. Dabei sind die Möglichkeiten Deutschlands begrenzt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 als rein „privatwirtschaftliches Projekt“, das also von möglichen Sanktionen gegen Moskau ausgenommen werden müsse.
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Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel widersprach Scholz: „Eigene Stärke in Verhandlungen bekommt man nur, wenn man der russischen Drohung eines militärischen Einmarsches in der Ukraine ernsthaft etwas entgegensetzt“, sagt er dem „Tagesspiegel“. „Russland muss den Preis für einen Krieg in Europa kennen. Natürlich kann Nord Stream 2 nicht kommen, wenn Russland die Ukraine angreift.“
Keine Waffenlieferungen aus Deutschland
Waffenlieferungen an die Ukraine zur Selbstverteidigung schließen Scholz wie Baerbock aus. Damit unterscheidet sie sich beispielsweise von Großbritannien und den USA, die der ukrainischen Armee inzwischen panzerbrechende Waffen und Munition geliefert haben.
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Vielleicht auch deshalb ist es Baerbock gelungen, ein wenig Bewegung in die festgefahrene Situation zu bringen. Lawrow sagte nach dem Treffen, die Gespräche im sogenannten Normandie-Format, also in der Verhandlungsgruppe, die neben der Ukraine und Russland auch Deutschland und Frankreich umfasst, sollten demnächst weitergehen. Gleichzeitig erklärt er, Russland sei in der Ostukraine keine Kriegspartei – eine oft und umfänglich widerlegte Falsch-Behauptung.