• Wurde des Einbruchs bezichtigt: Lehrer Philip Oprong' Spenner (42)

Polizeieinsatz in Hamburg: Weil er schwarz ist? Lehrer wird für Einbrecher gehalten

Langenhorn –

Die Anruferin klingt aufgeregt. Ein schwarz maskierter Mann befinde sich in der Schule, meldet eine Jugendliche in Langenhorn Ende November der Polizei und löst damit einen Großeinsatz aus. Doch der Mann, den die Beamten vor Ort antreffen, ist in Wirklichkeit Lehrer – und nun zutiefst verletzt.

Den Schrecken hat Philip Oprong Spenner noch nicht verwunden. „Ich war im Klassenzimmer, als ich plötzlich in die Visiere mehrerer Pistolen blickte, die auf mich gerichtet waren.“ Was war passiert?

Hamburg: Polizei verwechselt Lehrer mit Einbrecher

Der 22. November ist ein Sonntag. Normalerweise kein Arbeitstag für einen Lehrer. Doch wie viele seiner Kollegen an der Stadtteilschule Am Heidberg begibt sich auch Philip Oprong Spenner immer mal wieder am Wochenende in die Schule, um den Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten.

„Wegen der Corona-Maßnahmen ist es nicht einfach, die Abstände im Lehrerzimmer einzuhalten. Ich musste viele Kopien machen und wusste, dass es am Montag schwierig werden würde, ohne von vielen Menschen umgeben zu sein und ohne die Kollegen und Kolleginnen zu nerven“, erzählt der 42-Jährige. Also kopiert Spenner die Zettel und bringt sie ein Stockwerk tiefer zum Klassenzimmer der 8a, um die Englisch-Aufgaben auf die Tische zu verteilen.

Schwarz maskierter Mann? Passantin ruft Polizei

Was Spenner nicht ahnt: Eine 14-jährige Passantin hat ihn durchs Fenster im Klassenraum gesehen und die Polizei alarmiert. Sie meldet, dass „sich ein schwarz maskierter Mann darin aufhalte“, bestätigt eine Sprecherin der Polizei der MOPO. (Bitte beachten Sie hierzu die Anmerkung am Textende). Dass eine blonde Kollegin von Spenner früher am Tag in der Schule war, hatte niemand bei der Polizei gemeldet. 

Zwar hört Spenner die Sirenen von Einsatzfahrzeugen, denkt sich aber nichts dabei, weil neben der Schule ein Krankenhaus liegt. „Plötzlich höre ich Schritte und Stimmen und schon steht vor dem Fenster ein Mann mit gezogener Waffe“, erinnert sich Spenner. „Hinter ihm kommen weitere Uniformierte in hektischem Lauftempo heran. Ungefähr fünfzehn insgesamt. Taschenlampen richten sich mit ihrem grellen Licht auf mein Gesicht, so dass ich geblendet bin. Gerade noch erkenne ich die Reflektoren, die den Schriftzug „POLIZEI“ ergeben.“

Die Polizisten sprangen zum Fenster herein

Er habe das Fenster geöffnet, woraufhin die Beamten in den Klassenraum sprangen. Erst zwei, dann immer mehr. „Sie trugen schusssichere Westen und Waffen.“ Für einen Mann, der in seiner Kindheit als Straßenjunge in Kenia mehrmals polizeilicher Willkür ausgesetzt war (Philip Oprong Spenner hat darüber ein Buch geschrieben: „Move On Up“), eine besonders bedrohliche Situation.

Dennoch bleibt der 42-Jährige ruhig. Er weist die Beamten darauf hin, dass er einen Schlüssel für die Schule habe und Lehrer sei. „Den Polizisten reichte meine Antwort nicht“, erzählt Spenner. Sie hätten ihm Fragen gestellt: Wie die Schulleitung heiße, wer der Hausmeister sei. Und obwohl er alle Fragen flüssig beantwortet, soll Spenner sich ausweisen. Problem: Seine Tasche mit dem Portemonnaie liegt oben im Lehrerzimmer.

Polizisten eskortierten den Lehrer zum Lehrerzimmer 

„Zwei Polizisten eskortierten mich nach oben. Ich hörte einen Beamten sagen: ,Gehen Sie nicht so schnell!’“ Als wenn er Angst hätte, Spenner könnte wegrennen. Im Lehrerzimmer seien seine Daten aufgenommen worden, erzählt Spenner. Einige Telefonate später erhält er den Ausweis zurück. „Vorher musste ich noch erklären, wo ich geboren bin und seit wann ich in Deutschland sei.“

Laut Polizei dauerte der Einsatz in der Schule 38 Minuten. Es seien fünf Streifenwagenbesatzungen eingesetzt worden, „da der Verdacht bestand, dass sich ein oder mehrere Einbrecher in der Schule befände(n)“, so die Sprecherin. Nachdem Herrn Spenners Angaben überprüft worden seien, hätten die Beamten den Einsatz beendet.

Schaulustige beobachten, wie Spenner die Schule verlässt

Spenner fragt sich, was passiert wäre, wenn er seinen Ausweis zufällig nicht dabei gehabt hätte. „Ob sie mich aufs Revier mitgenommen hätten?“ Oder was, wenn er aufgrund seiner Kindheitserlebnisse panisch reagiert hätte? Wie hätten die Polizisten da wohl reagiert?

Schlimm ist es für ihn auch, das Schulgebäude zu verlassen, nachdem die Polizisten ihn gehen lassen. „Ich versuchte den neugierigen Blicken und Fragen der vielen Menschen zu entgehen, die sich inzwischen aus Sensationslust auf dem Schulgelände eingefunden hatten. Sie hatten wohl gehofft, Zeugen eines dramatischen und spektakulären Schauspiels zu werden und mitzuerleben, wie der Fang des Monats, ein in flagranti ertappter schwarzer Einbrecher in Handschellen aus dem Gebäude geführt wird“, erzählt Spenner. Die Situation löst Schamgefühle bei ihm aus.

Lehrer schreibt Brief an die Beschwerdestelle der Polizei

Doch erst als sein Sohn zu Hause fragt, ob die Polizisten sich bei ihm entschuldigt haben, wird Spenner bewusst, dass eine Entschuldigung genau das ist, was er gebraucht hätte, um das Erlebte besser wegstecken zu können.

Ende November schreibt Spenner einen Brief an die Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Polizei Hamburg. Bis heute hat er keine Antwort erhalten. 

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Laut der Polizeisprecherin ist jedoch ein Treffen geplant: „In Absprache mit Herrn Spenner ist geplant, einen Kontakt zu einem Stadtteilpolizisten oder einem sogenannten Cop4you herzustellen. Das Gespräch mit Herrn Spenner steht derzeit noch aus.“

Anmerkung der Reaktion: In der ursprünglichen Version dieses Textes haben wir ein Zitat der Polizei falsch wiedergegeben. Darin hieß es: „Eine 14-jährige Passantin hat ihn durchs Fenster im Klassenraum gesehen und die Polizei alarmiert. Sie meldet, dass ,sich ein schwarzer maskierter Mann darin aufhalte‘, bestätigt eine Sprecherin der Polizei.“ Korrekt wäre gewesen: „dass sich ein schwarz maskierter Mann darin aufhalte“. Das berührt zwar nicht den Kern des Artikels – nämlich die Kritik Herrn Spenners am Verhalten der Polizei. Der Unterschied ist aber bedeutsam, da in der Rezeption des Artikels von vielen Lesern sowohl der hinweisgebenden Jugendlichen aufgrund der Betonung der Hautfarbe Rassismus vorgeworfen wurde als auch der Polizei unterstellt wurde, aufgrund der Hautfarbe des Mannes besonders viele Einsatzkräfte zu der Schule geschickt zu haben. Das falsche Zitat wurde auch in einem Folgeartikel vom 29. Januar („Polizei entschuldigt sich bei schwarzem Lehrer“) genutzt. Wir bedauern den Fehler und bitten um Entschuldigung.

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