Hunderte Einsätze! Zerstörte Autos, havarierte Schiffe und Bahn-Chaos
Stürmische Nacht in Norddeutschland: Feuerwehren und Polizei haben mit Sturmtief „Nadia“ viel zu tun. Der Hamburger Fischmarkt steht unter Wasser. Auch Bahnen und Fähren fallen aus. Und auf der Nordsee müssen sich Seeleute bei Windstärke 10 auf einen Frachter abseilen.
Verspätete Züge, umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände und eingestellte Fährverbindungen: Das Sturmtief „Nadia“ hat am Samstag und in der Nacht zum Sonntag zum Teil orkanartige Böen und eine Sturmflut nach Norddeutschland gebracht. Feuerwehren und die Polizei mussten Hunderte Male ausrücken.
Lesen Sie auch: „Nadia“: Newsticker zum schweren Sturm in Hamburg und im Norden
Nächste Sturmflut in Hamburg und im Norden
Eine Verschnaufpause gibt es nicht: Zwar hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) seine Unwetterwarnung für Norddeutschland am Vormittag aufgehoben, doch das Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnte für die deutsche Nordseeküste vor der Gefahr einer erneuten schweren Sturmflut. Das Vormittags- beziehungsweise das Nachmittag-Hochwasser werde an der ostfriesischen Küste, im Weser- und Elbegebiet 2 bis 2,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten. An der nordfriesischen Küste können Pegelstände von 1,5 bis 2 Meter höher als das mittlere Hochwasser erreicht werden. Die Warnung wurde um kurz nach 14 Uhr aufgehoben. Das Mittagshochwasser war zu diesem Zeitpunkt vorbei.
Im Hamburger Elbegebiet stieg der Wasserstand am Pegel St. Pauli am Mittag auf 2,60 Meter über dem mittleren Hochwasser. Damit war auch die zweite Sturmflut des Wochenendes in Hamburg eine schwere. Auch der Hamburger Sturmflutwarndienst (WADI) hatte vor einer erneuten Sturmflut am Nachmittag gewarnt.
Für die Ostseeküste besteht am Sonntag ebenfalls weiterhin die Gefahr einer Sturmflut. Hier werden am Nachmittag beziehungsweise Abend Wasserstände bis 1,35 Meter über dem mittleren Wasserstand erwartet.
Sturmtief „Nadia“: Hunderte Unwetter-Einsätze in Hamburg
Allein in Hamburg habe es bislang rund 300 Unwetter-Einsätze gegeben, sagte ein Polizeisprecher am frühen Sonntagmorgen. Die Hamburger Feuerwehr sei nach eigenen Angaben in den letzten 24 Stunden zu 450 wetterbedingte Einsätzen alarmiert worden. Zahlreiche große Bäume stürzten um – unter anderem in Harvestehude, Bergedorf und Lohbrügge –, Planen und Dächer lösten sich.
Zuvor hatte eine schwere Sturmflut den Fischmarkt im Stadtteil St. Pauli unter Wasser gesetzt. Der Scheitel wurde nach BSH-Angaben gegen 0.17 Uhr erreicht. Der Wasserstand lag 2,84 Metern über dem mittleren Hochwasser, wie eine Sprecherin mitteilte. Das BSH hatte in Hamburg mit Wasserständen von bis zu 3 Metern über dem mittleren Hochwasser gerechnet. Wie ein dpa-Fotograf berichtete, zog es Hunderte Schaulustige zum Fischmarkt. Durch die Überflutungen wurden demnach mehrere Autos beschädigt.
In der Nacht zum Sonntag gab es nach Angaben des BSH auch an anderen Küstenabschnitten eine Sturmflut. „Zwar nicht überall eine schwere Sturmflut wie in Hamburg“, sagte die Sprecherin. Es sei aber die gesamte deutsche Nordseeküste betroffen gewesen. In Bremerhaven habe der Scheitelwert beispielsweise bei 2,14 Metern über dem mittleren Hochwasser gelegen.
An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.
Schiff klemmt unter Brücke fest – Seeleute auf Frachter abgeseilt
In Hamburg und auf der Nordsee kam es außerdem zu zwei Vorfällen mit Schiffen: Im Hamburger Hafen fuhr sich ein Binnenschiff unter einer Brücke fest. Das Schiff sei beim Durchfahren mit dem Steuerhaus an der Freihafenelbbrücke hängengeblieben und habe sich verklemmt, sagte ein Polizeisprecher. Verletzte gab es ersten Erkenntnissen zufolge nicht. An Bord des Schiffes befanden sich demnach zwei Menschen. Die Unfallursache war zunächst unklar. Es sei möglich, dass sich der Kapitän wegen des steigenden Wasserstandes der Elbe verschätzt habe.
Der zweite Vorfall ereignete sich 16 Seemeilen (ca. 30 Kilometer) vor der ostfriesischen Küste. Dort trieb ein unbeladener Frachter mehrere Stunden im Meer. Die 190 Meter lange „Vienna“ hatte wegen des Sturms erkennbar Probleme zu manövrieren, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven am Sonntagmorgen mitteilte. Die Maschine sei zu schwach gewesen, um das Schiff gegen Wind und Wellen zu halten. Daher wurden unter anderem Notschlepper zu dem Havaristen entsandt. Der Frachter sei nach etwa sechs Stunden gesichert worden.
„Hätten wir nicht eingegriffen, wäre das Schiff zu einem Risiko für die Küste geworden“, sagte der Sprecher. Die 24 Crewmitglieder blieben nach ersten Erkenntnissen unverletzt. Der Frachter, der unter der Flagge der Marshallinseln fährt, wurde nicht beschädigt. Um die Schleppverbindung herzustellen, wurden demnach mehrere speziell ausgebildete Seeleute von einem Bundespolizei-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt. Das Sturmtief über der Nordsee habe den Einsatz aber erheblich erschwert. Bei Windstärke 10 seien die Wellen auf der Nordsee sechs bis sieben Meter hoch gewesen.
Sturmtief „Nadia“ fegt über den Norden – sehr starker Wind
„Nadia“ ist mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu knapp 130 Stundenkilometern über die norddeutsche Küste hinweggefegt. Die höchsten Windgeschwindigkeit wurde auf Hallig Hooge (Kreis Nordfriesland) mit 127 km/h gemessen, sagte eine Meteorologin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Sonntagmorgen. In List auf Sylt, Kap Arkona auf Rügen und Glücksburg bei Flensburg wurden Werte von 119 km/h in der Spitze gemessen. Spitzenreiter in Ostfriesland waren die Inseln Spiekeroog und Norderney mit 112 km/h. Der Höhepunkt des Sturms sei zwischen 1 Uhr und 3 Uhr am frühen Sonntagmorgen gewesen, sagte die Meteorologin weiter.
Zu vielen Einsätzen kam es etwa auch in Schleswig-Holstein. Dort traf der Sturm unter anderem die Region Lübeck schwer. 350 Einsätze verzeichnete die Polizei seit Samstagmorgen. Unter anderem kippte ein 3,5 Tonnen schwerer Laster auf der Fehmarnsundbrücke um. Mittlerweile ist diese voll gesperrt. Auch ein Auto sei auf der Brücke verunglückt – wegen des starken Windes könnten aber keine Abschleppfahrzeuge zur Unfallstelle fahren, teilte die Polizei mit. Außerdem stürzte ein Baum auf die Autobahn 21 – insgesamt acht Menschen wurden dabei leicht verletzt.
Auch die Regionalleitstelle Mitte, die für Kiel sowie die Kreise Rendsburg Eckernförde und Plön zuständig ist, musste bis zum Morgen 387 Mal ausrücken. Meist sei es dabei um umgestürzte Bäume oder herabfallende Dachziegel gegangen, teilte die Feuerwehr mit. Verletzt wurde niemand. Die nördlichste Regionalleitstelle der Feuerwehr verzeichnete für Flensburg, Schleswig und Husum 159 Einsätze – bei der Polizeileitstelle West in Elmshorn waren es 130.
Die Feuerwehr in Bremen war nach Angaben eines Sprechers in der Nacht mehr als 40 Mal im Einsatz. Im Kreis Aurich in Ostfriesland wurde die Feuerwehr rund 25 Mal zu Hilfe gerufen.
Rettungskräfte im Nordosten im Dauereinsatz – „der Notruf steht nicht still“
Der Sturm hält Feuerwehren und Polizei in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin im Dauereinsatz. „Der Notruf steht nicht still“, sagte am Sonntagmorgen ein Sprecher der Rettungsleitstelle in Schwerin. Wie in Westmecklenburg mussten auch in anderen Regionen des Landes Rettungskräfte ständig ausrücken, um umgestürzte Bäume von den Straßen zu räumen. Allein im Landkreis Vorpommern-Rügen zählte die Leitstelle mehr als 400 Einsätze.
Allerdings kann die Insel Rügen nach Angaben eines Polizeisprechers seit dem Morgen wieder über die Rügenbrücke erreicht werden. Wegen orkanartiger Windböen war die Brücke zeitweilig für den Autoverkehr gesperrt worden, die Inselzufahrt nur noch über den deutlich niedrigeren Rügendamm möglich. Den Angaben zufolge fiel in einzelnen Ortschaften zeitweise der Strom aus.
Laut Polizei richtete das Sturmtief bislang vor allem Sachschaden an. So seien Bäume auf Dächer und auf Autos gestürzt. In der Mecklenburgischen Seenplatte verletzte sich ein 16-jähriger Motorradfahrer schwer, als er am Samstagabend mit seinem Fahrzeug gegen einen umgestürzten Baum fuhr. Ein Rettungswagen brachte den Jugendlichen in ein Krankenhaus.
Massive Probleme im Bahnverkehr: Zugausfälle und Verspätungen
Wegen Sturmschäden kam es in Norddeutschland außerdem zu massiven Problemen im Bahnverkehr. Am frühen Samstagabend stellte die Deutsche Bahn den Fernverkehr in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen für etwa 50 Minuten ein.
Die Probleme sollten voraussichtlich bis in die Mittagsstunden anhalten, teilte die Deutsche Bahn mit. Auf dem Abschnitt zwischen Stralsund und Ostseebad Binz fielen die ICE- und IC-Züge aus. Zwischen Bremen und Hamburg kam es zu Verspätungen, da der Streckenabschnitt nur eingleisig befahrbar war. Zwischen Rostock und Hamburg sowie Berlin sollten Fahrgäste mit kurzfristigen Zugausfällen und Verspätungen rechnen.
Auch im Regionalverkehr gibt es laut Bahn ebenfalls Zugausfälle und Verspätungen. Als Gründe nannte die Bahn vielerorts Bäume, die auf die Gleise gestürzt waren – oder Störungen der Oberleitung. Reisende und Pendler sollten sich vor Fahrtantritt über die Webseite, die App oder telefonisch informieren, ob ihr Zug wie geplant fährt. Wann die Züge wieder wie geplant fahren, hänge vom weiteren Verlauf des Sturms ab, sagte der Bahnsprecher.
Zahlreiche Fährverbindungen am Wochenende gestrichen
Wegen der Unwetterwarnungen wurden auch zahlreiche Fährverbindungen am Wochenende gestrichen. An der Nordsee fielen alle Verbindungen der Hallig-Linie am Wochenende aus, wie die Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) mitteilte. Auch Verbindungen ab Föhr, Amrum und Dagebüll waren betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Fährverkehr auf der Ostsee zwischen Rostock und Gedser auf der dänischen Insel Falster eingeschränkt. Nach Angaben der Reederei Scandlines fielen mehrere Verbindungen von Samstagnachmittag bis Sonntagmorgen aus. Der reguläre Fahrplan solle am Sonntag wieder aufgenommen werden.
Der DWD hatte am Samstag vor Sturm bis hin zu Orkanböen gewarnt. Am Kieler Leuchtturm seien Windgeschwindigkeiten von bis zu 122,8, in Greifswald von bis zu 118,1 Stundenkilometern gemessen worden, sagte eine DWD-Sprecherin in der Nacht zum Sonntag. Die Warnlage im Norden soll noch bis Sonntagvormittag andauern. Es seien auch weiterhin einzelne Orkanböen möglich. (dpa/mp)