Heimat verweigert wegen Corona-Regeln Einreise: Schwangere Frau strandet bei Taliban
Kriegsreporterin Charlotte Bellis hatte die Taliban in Afghanistan einst kritisch zu ihrer Behandlung von Frauen befragt – jetzt ist sie selbst auf die Hilfe der radikalen Islamisten angewiesen. Die Neuseeländerin ist schwanger, doch zur Entbindung lässt ihr eigenes Land sie aufgrund von strikten Corona-Bestimmungen nicht einreisen. Nun wurde sie von den Taliban aufgenommen.
Bellis hatte in der Zeitung „New Zealand Herald“ berichtet, dass sie für den arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira in Afghanistan gearbeitet und dann bei ihrer Rückkehr zur Sendezentrale in Doha festgestellt habe, dass sie schwanger sei. Eine riesige Überraschung für sie und ihren Partner, den belgischen Fotografen Jim Huylebroek, denn eigentlich hatten Ärzte der 35-Jährigen gesagt, dass sie keine Kinder bekommen könne.
Da Schwangerschaften für unverheiratete Frauen in Katar verboten sind, habe sie heimlich ihre Rückkehr nach Neuseeland vorbereitet – und diese bei den Behörden mit 59 angefügten Dokumenten und anwaltlicher Hilfe beantragt. Aber: Sie bekam die Mitteilung, dass sie keine Ausnahmegenehmigung bekommen könne. Offenbar störte die Behörden, dass Bellis eine Einreise als Notfall beantragt hatte, aber erst Ende Februar in die Heimat zurückkehren wollte. Not-Einreisen, etwa aus medizinischen Gründen, müsste aber binnen zwei Wochen erfolgen.
Journalistin Charlotte Bellis: Fühlt sich von eigenem Land „verraten“
Nach gemeinsamen Recherchen stellte das Paar fest, dass Afghanistan, wo Huylebroek derzeit arbeitet, das einzige Land ist, für das beide ein Visum haben – und dass sie nur dort legal entbinden könne. In ihrer Not habe sie sich an ranghohe Taliban-Vertreter gewandt, berichtete Bellis weiter. Diese hätten ihr daraufhin angeboten, zur Entbindung nach Afghanistan zu kommen. „Wir freuen uns für Sie, Sie können kommen und werden keine Probleme haben“, zitierte die Journalistin die Reaktion der Taliban.
Sie habe sich von ihrem eigenen Land „verraten“ gefühlt, sagte Bellis am Sonntag von Kabul aus dem Radio-Sender New Zealand in der Heimat. Sie bezeichnete es als „bittere Ironie“, dass ausgerechnet sie, die einst die Taliban kritisch befragte, nun um Geburtshilfe bitten musste. Im Regime der radikal islamistischen Miliz werden Frauen wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Jegliche Rechte, die sie in der 20-jährigen Besatzungszeit der West-Mächte hatten, sind seit der Machtübernahme im August für sie zunichte.
Neuseeland will Fall von Charlotte Bellis erneut prüfen
Außerdem: Afghanistan hat eine der höchsten Mütter- und Säuglingssterblichkeitsraten der Welt. „Eine Schwangerschaft kann hier ein Todesurteil bedeuten“, berichtet Bellis weiter. In die Richtung ihres Heimatlandes schrieb sie im „New Zealand Herald“: „Wenn die Taliban einer schwangeren, unverheirateten Frau einen sicheren Zufluchtsort anbieten, wissen Sie, dass die Lage verkorkst ist“.
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Nachdem sie ihr Schicksal öffentlich gemacht hat, wollen die neuseeländischen Behörden ihren Einreiseantrag nun nochmals prüfen. Der für den Kampf gegen die Corona-Pandemie zuständige Minister Chris Hipkins erklärte, er habe eine Überprüfung des Falls angeordnet. Bellis machte bereits klar, sie wolle keine Sonderbehandlung. Es gebe Tausende Schwangere, deren Einreiseanträge abgelehnt wurden.
Neuseeland hatte im März 2020 zum Schutz vor dem Coronavirus seine Grenzen geschlossen. Pläne, die Einreise für zurückkehrende Staatsangehörige zu erleichtern, hatte die Regierung angesichts der Ausbreitung von Omikron vor kurzem aufgegeben. Stattdessen sind die Grenzen für alle Einreisenden wieder dicht, die keine Buchung in Quarantäne-Hotels nachweisen können – diese sind jedoch überlastet. (alp/afp)