Gasspeicher Rehden
  • Gehört Gazprom: der Erdgasspeicher Rehden.
  • Foto: picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Reserven unter kritischer Marke: Darum wird in Deutschland das Gas knapp

Deutschland hat nicht ausreichend eigene Gasvorkommen und ist daher auf den Import angewiesen. Russland, Norwegen und die Niederlande decken gemeinsam rund 88 Prozent des deutschen Erdgases ab. Der Rest stammt aus heimischen Quellen. Das könnte zum Problem werden, denn seit Wochen fallen die Füllstände in Deutschlands Gasspeichern kontinuierlich. Es wird bereits vor einem Notstand in der noch andauernden Heizperiode gewarnt. Werden die Menschen in Deutschland, die mit Gas heizen, also bald bibbern müssen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viel Gas ist aktuell vorhanden?

Bei nur knapp 37 Prozent der Gesamtkapazität lag der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland, die zum europäischen Verbands der Gasinfrastruktur-Betreiber GIE (Gas Infrastructure Europe) gehören. Alarmierend wenig. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren betrug dieser Wert noch rund 90 Prozent. Laut Bundeswirtschaftsministeriums ist mit dem aktuellen Füllstand bereits ein kritisches Niveau unterschritten: Zum ersten Februar wäre ein Speicherfüllstand von 40 Prozent erforderlich gewesen, um eine siebentägige Extremkälte bewältigen zu können. In Gazprom-Speichern in Deutschland liegt der Füllstand mit 17 Prozent noch deutlich niedriger, wie Experte Sebastian Bleschke, Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern INES, der Deutschen Welle (DW) sagte.

Wo ist das Gas gespeichert und wo kommt es her?

Deutschland verfügt weltweit über die viertgrößten Speicherkapazitäten für Erdgas, vor allem in unterirdischen Speicheranlagen. Nach Angaben von INES gibt es in Deutschland 47 Untertagespeicher, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Der Erdgasspeicher in Rehden im Landkreis Diepholz in Niedersachen ist Europas größter Erdgasspeicher. Besitzer: Russlands Monopolist Gazprom. Gut zwei Drittel des nach Deutschland importierten Gases stammen aus Russland. Rehden ist damit wohl eines der markantesten Symbole der deutschen Abhängigkeit von Wladimir Putins Erdgas.

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Warum sind die Speicher so leer?

Expert:innen verweisen schon länger auf einen geopolitischen Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. Da viele europäische Staaten Gas aus Russland beziehen, könnte ein bewaffneter Konflikt in der Ukraine desaströse Folgen für die Energieversorgung in Europa haben. So sagt etwa Norbert Röttgen, CDU-Politiker und ehemaliger Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, dass die derzeit leeren Speicher bezeichnend für die derzeitige russische Weigerung seien, mehr Gas zu liefern als in langfristigen Verträgen vereinbart wurde. „Sie könnten mehr Gas liefern. Das treibt die Preise kurzfristig hoch.“ Weitere Vermutung einiger Expert:innen: Gazprom hält Gas zurück, um wegen der umstrittenen Pipeline Nordstream 2 Druck zu machen – oder auch, um die hohen Preise durch eine künstliche Verknappung aufrechtzuerhalten.

Auch die EU-Kommission wirft der Regierung in Moskau vor, trotz gestiegener Erdgasnachfrage die Liefermengen nicht zu erhöhen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, dass es einen „politischen Handlungsauftrag“ gebe. Mit Blick auf die aktuell ungünstige Lage aus hohen Gaspreisen und sinkenden Speicherständen zeigte er sich zuletzt alarmiert und versprach Lösungen für den kommenden Winter. „Wir können nicht noch einmal in so eine Situation reinlaufen, wie wir sie jetzt erlebt haben. Das wäre wirklich fahrlässig.“ Unter vorigen Bundesregierungen sei der Gasmarkt komplett liberalisiert worden, beklagte Habeck. Es gebe deswegen nur wenig Möglichkeiten für staatliche Eingriffe.

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Reichen die vorhandenen Mengen bis zum Ende der Heizperiode?

Dazu sagt Sebastian Bleschke: „Wir sollten stets das Gesamtbild vor Augen haben, denn die EU-Mitgliedsstaaten sind Dank des Baus verschiedener Gasleitungen in den vergangenen Jahren sehr gut miteinander vernetzt, und diese Pipeline-Infrastruktur erlaubt ein Zusammenspiel der einzelnen Märkte.“ Bleschke weiter: „Die Füllstände der Speicher sind zwar historisch tief, was eine gewisse Unsicherheit erzeugt, aber die Temperaturen sind relativ mild, was zur Entspannung beiträgt. Insofern bin ich vorsichtig optimistisch – aber es ist sicherlich noch zu früh, um Entwarnung zu geben.“ Ganz aus dem Schneider sind hingegen Verbraucher:innen, die auf Flüssiggas setzen, denn hier funktioniert die Versorgung unabhängig von den Erdgas-Pipelines.

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