Trotz Isolation durch Corona: Hamburgs Schönheitskliniken erleben einen Boom
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Harvestehude –
Kontaktbeschränkungen, Homeoffice, Ausgangssperren: Die Corona-Pandemie bringt viele Menschen in die soziale Isolation. Weil einen keiner mehr sieht, verzichten viele Frauen aufs Schminken, Männer verbringen den Tag im Pyjama. Und doch scheint sich der Fokus auf das äußere Erscheinungsbild zu verändern: Denn Hamburgs Schönheitskliniken erleben einen wahren Boom.
„Ich hatte noch nie so viel zu tun wie jetzt“, erzählt der Facharzt für plastische Chirurgie Holger Fuchs, Direktor der Praxisklinik Pöseldorf in Harvestehude. Vor 21 Uhr komme er selten nach Hause, die Wartelisten seien lang. Um dem Andrang Herr zu werden, hat Fuchs zwei zusätzliche Chirurgen angestellt.
Nachfrage nach Schönheits-OPs steigt deutschlandweit
Die gestiegene Nachfrage nach Schönheitskorrekturen ist deutschlandweit zu beobachten. Zwar gibt es keine absoluten Zahlen zu Schönheits-OPs, die verlässlich sind. Ein Trend ist dennoch erkennbar: Bei der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), der größten Fachgesellschaft für Ästhetische Chirurgie in Deutschland, die etwa ein Zehntel der Schönheitschirurgen in Deutschland vertritt, lag die Zahl der Eingriffe im Jahr 2019 bei 83.000 (nach 77.000 im Vorjahr). Für das Corona-Jahr 2020 rechnet die Gesellschaft nach einer noch nicht abgeschlossenen Auswertung mit etwa 100.000 Eingriffen. Woran liegt das?
Harald Kaisers, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), vermutet: „Viel Zeit zu Hause kann auch zu einer zunehmenden Auseinandersetzung mit einem bestehenden Leidensdruck führen und dann zu dem Entschluss, eine ästhetisch-plastische Behandlung durchführen zu lassen.“
Web-Konferenzen lenken den Blick auf das äußere Erscheinen
Durch ständige Webcam-Konferenzen via Zoom und andere Online-Meeting-Programme werde den Teilnehmern viel häufiger ein Spiegel vorgehalten, meint auch Holger Fuchs von der Praxisklinik Pöseldorf, der vor allem eine Zunahme an OP-Wünschen im Bereich der Gesichtspartie feststellt. „Beim Reden, beim Lachen – wir bekommen alles live und in Farbe mit, was sonst nur unsere Gegenüber an uns sehen“, so der Chirurg.
Der Blick auf die Stirnfalten, Tränensäcke und das Doppelkinn werde kritischer, vor allem bei Männern, die 20 Prozent seiner Kunden darstellen. Bei Frauen – immer noch die Hauptkundinnen – wächst der Fokus auf die Augen, weil die durch das Maske-Tragen auf der Straße ohnehin fast das einzige sind, was vom Gesicht zu sehen ist. „Straffungen im Bereich der Augenlider sowie die Reduktion von Augenfältchen durch Botox-Injektionen sind aktuell sehr beliebt“, stellt Fuchs fest.
Hamburger Chirurg: Natürliche Schönheit ist gefragt
Einen Widerspruch zum Schmink-Verzicht und Pyjama-Look sieht er nicht. „Natürlich frisch aussehen, am besten direkt nach dem Aufstehen, ohne lästiges Schminken – das ist der stetig stärker werdende Wunsch vieler Frauen“, sagt Fuchs, der selbst nach dem Motto „Not to make someone’s beauty but to beautify“ arbeitet. Heißt für Fuchs: „Mir geht es immer um den Erhalt der Natürlichkeit. Wir machen in unserer Klinik nur das, was sinnvoll ist.“
Für Fuchs gehört dazu viel Fingerspitzengefühl. Und auch der Schritt, mal „Nein“ zu sagen. Dann zum Beispiel, wenn sehr junge Frauen zu ihm kommen, die sich die Lippen aufspritzen lassen wollen, um ein internetkonformes „Duckface“ zu erzielen. Eine Schnute also. „Das ist die Selfie-Generation, die von Instagram, YouTube, Facebook oder TikTok beeinflusst ist, wo zum Teil völlig schräge Schönheitsideale verbreitet werden“, sagt Holger Fuchs. „Durch Social Media wächst der Druck, perfekt auszusehen. Die jungen Leute beurteilen sich nur noch über Handys – und machen dabei einen schweren Fehler. Denn die Rückwärtskamera verzerrt!“ Oft reicht es, wenn Fuchs den Frauen einen Spiegel vors Gesicht hält, um das Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. Oder wenn er ein Foto mit seiner Spiegelreflexkamera macht. Minderjährige operiert er ohnehin nicht. Auch wenn es da immer häufiger Nachfragen gibt.
In der Isolation lässt sich eine erfolgte OP gut verbergen
Einen weiteren Grund für den Zulauf in seiner Klinik in Corona-Zeiten sieht Fuchs darin, dass seine Kunden die Isolation gezielt nutzen, um die Eingriffe unbemerkt von Kollegen oder Freunden durchführen zu lassen. So könne es dabei schon mal zu blauen Flecken, Rötungen oder Schwellungen kommen, die nun niemandem auffallen und die auf der Straße durch die Maske verborgen werden können.
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Und schließlich: „Viele Patienten haben sich durch mangelnde, sportliche Betätigung ein kleines Fettpölsterchen angefuttert“, so Fuchs. Da könne man heutzutage mit modernen Geräten einiges tun, ohne dass es zu einem operativen Eingriff kommen muss. Auf diese Kundinnen wird Fuchs zumindest irgendwann wieder verzichten müssen – ewig bleiben die Fitnessstudios ja nicht mehr geschlossen.