• Ivars (50) ist obdachlos und hatte das Glück, einen der wenigen Plätze im A&O Hostel zu bekommen. Er ist einer von 20 Obdachlosen, die mit Hilfe des „Cafée mit Herz“ hier über den Winter untergekommen sind. 
  • Foto: Florian Quandt

Unterbringung in Hamburg: So geht es Obdachlosen in Hotels

Hammerbrook –

Das Leben auf der Straße ist gefährlich. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Situation Hamburgs Obdachloser nochmals verschlechtert, weshalb Unterstützer die Unterbringung in leer stehenden Hotels fordern – darunter auch das „CaFée mit Herz“. Durch Spenden ist es der Einrichtung ermöglicht worden, 20 Obdachlose in einem Hotel unterzubringen. Wie ergeht es ihnen dort? Ein Ortstermin. 

Das „A&O Hostel“ liegt an der viel befahrenen Spaldingstraße in Hammerbrook, nur eine Bahnstation vom Hauptbahnhof entfernt. Vor Corona stiegen in dem Hostel mit seinen im Industrial Style eingerichteten Zimmern vor allem Touristen ab. Statt zahlender Gäste sind jetzt Obdachlose dort untergebracht. Einer von ihnen ist Ivars (50).

Der 50-Jährige öffnet die Tür zu seinem Zimmer und grüßt auf Englisch mit russischem Akzent. Er ist ordentlich gekleidet, die schulterlangen, dunkelblonden Haare sind gepflegt. Auch das Zimmer ist tadellos aufgeräumt. Er nimmt auf seinem gemachten Doppelbett Bett Platz, neben dem noch ein unbelegtes Etagenbett steht und die großen Fenster verdeckt.

Hamburg: So leben Hamburgs Obdachlose in Hotels

Kurz vor der Pandemie kam Ivars nach Hamburg, vorher hat er schon in Schottland und Dänemark gelebt. Ursprünglich kommt er aus Belarus. „Was dort passiert, wisst ihr ja“, antwortet er auf die Frage, warum er von dort weg ist.

Obdachlose in Hamburger Hotel

Alles hat seinen Platz. Den Obdachlosen ist es sehr wichtig, ihre Zimmer ordentlich und wohnlich zu halten. 

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Florian Quandt

Hier angekommen ging es auch schon mit dem ersten Lockdown los und Arbeit war nicht mehr zu finden. Ohne Geld und Dach überm Kopf fand er Unterschlupf im Winternotprogramm Hammerbrook. „Wegen Corona ging das Programm das ganze Jahr, hatte also auch etwas Positives, dieses Corona!“, sagt er lachend. Jetzt sei er froh, dass er im A&O Hostel sei, hier habe er alles was man so brauche – ein richtiges Leben sei das aber nicht.

Hamburg: So geht es Ivars im „A&O Hostel“

Der 50-Jährige ist froh und dankbar, in dem Hostel sein zu dürfen, darauf ausruhen möchte er sich aber nicht. „Das ist kein guter Lebensabschnitt für mich und auf Dauer kein Leben, aber ich hoffe dass ich bald arbeiten kann“. Das Arbeiten fehle ihm besonders. „Mir ist es egal, was für Arbeit, ich möchte einfach wieder arbeiten.“ Ivars steht auf und holt unter dem Kopfkissen des unbelegten Stockbettes eine Tüte hervor, aus welcher er ein „Hinz&Kunzt“-Heft zieht. Gerne würde er für „Hinz&Kunzt“ arbeiten und Magazine verkaufen, aber ohne Deutschkenntnisse ginge das nicht.

Viel lieber als über seine Obdachlosigkeit zu sprechen, redet er darüber, wie er seine Tage verbringt. „Ab und zu gehen wir raus, holen etwas zum Essen, ich gehe jeden Sonntag in die orthodoxe Kirche und als es noch wärmer war, habe ich draußen Musik gemacht!“, erzählt er. 

Nur durch Spenden: Obdachlose bekommen Hotelzimmer

Bereits während des ersten Lockdowns wurde in Hamburg darüber diskutiert, obdachlose Menschen in den leer stehenden Hotels unterzubringen, um ihnen das Vermeiden von Kontakten zu ermöglichen. Konkrete staatliche Beschlüsse dazu blieben jedoch aus, weshalb verschiedene Organisationen die Initiative ergriffen und mithilfe von Spenden einigen Obdachlosen ein Dach überm Kopf geben konnten. 

Dank einer Großspende von 300.000 Euro durch das Unternehmen Reemtsma können rund 60 obdachlose Menschen von Dezember bis April in Hotels untergebracht werden. Damit können die Partner Alimaus, „Hinz&Kunzt“, Diakonie Hamburg und Caritas, ihr Projekt aus dem Frühjahr fortführen. Das „CaFée mit Herz“ ist nicht Partner, hatte aber das Glück, von Privatleuten Spenden zu erhalten, wodurch sie nun 20 Obdachlose bis Ende März unterbringen können. Mittlerweile haben insgesamt 140 der 2000 Obdachlosen in Hamburg ein Hotelzimmer und werden dort jeweils von Sozialarbeitern betreut. 

„CaFée mit Herz“: „Obdachlose kämpfen ständig ums Überleben“

Auch im „A&O Hostel“ gibt es vor Ort einen Sozialarbeiter, der sich um die Männer kümmert. „Alle halten sich vorbildlich an die Hausordnung. Das ist quasi unsere einzige Bedingung an die Obdachlosen – Einhaltung der Hygienebestimmungen und natürlich kein Alkohol, keine Drogen oder Gewalt. Wer sich nicht daran hält, muss gehen“, so Michael Rulfs, er ist Sozialarbeiter im „CaFée mit Herz“. 

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Michael Rulfs (l.) Sozialarbeiter und Jan Marquardt Geschäftsführer vom „Cafée mit Herz“, appellieren immer wieder an die Stadt Hamburg, die Obdachlosen in den leer stehenden Hotels unterzubringen. 

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Florian Quandt

„Auf der Straße können Obdachlose nicht richtig schlafen oder zur Ruhe kommen, weil sie ständig ums Überleben kämpfen  auch so was wie Privatsphäre gibt es nicht”, erzählt Rulfs und fährt mit etwas Stolz fort: „Man merkt einfach, wie sehr die Personen all das hier zu schätzen wissen. Den Obdachlosen ist es sehr wichtig, ihre Zimmer ordentlich und wohnlich zu halten.“

Ohne Familie und Freunde in Deutschland gestrandet

Auf demselben Flur wie Ivars wohnt Igor (37), der sich gleich zu Beginn für sein nicht so gutes Deutsch entschuldigt. Am Fenster steht ein kleiner Tisch, auf dem sich Obst und Gemüse nur so stapeln. „Das bekomme ich immer von einem türkischen Laden. Etwas von dem, was nicht verkauft werden konnte, nehme ich mit, das ist ja alles noch gut“ sagt Igor, dessen Stirn von Narben gezeichnet ist. 

Cafee mit Herz: Obdachlose in Hotel

Igor (37) betont immer wieder, dass er einfach nur arbeiten möchte. 

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Florian Quandt

Wie Ivars kam Igor letztes Jahr kurz vor dem Lockdown wieder nach Deutschland: „Ich wollte hier arbeiten, aber es gab keine Arbeit mehr, alle meine Träume sind zerstört.“ 

Obdachloser: „Auf der Straße hat man keine Freunde!“

Anfangs lebte er in einem Hamburger Containerdorf. Die erste Frage, die ihm dort von seinen Zimmergenossen gestellt worden sei: „Hast du Alkohol und Zigaretten?“ Igor hatte beides nicht und sagt: „Wenn man keinen Alkohol und Zigaretten hat, hat man auf der Straße auch keine Freunde.“

Besonders dankbar ist er deshalb dem Sozialarbeiter Michael Rulfs: „Das war der erste Sozialarbeiter, der zu seinem Wort stand und mir wirklich geholfen hat, jetzt habe ich ein Dach über meinem Kopf.“ Er fühle sich wohler und sicherer in dem Hostel und Alkohol und Zigaretten würden endlich keine Rolle mehr in seinem Leben spielen.

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Immer wieder betont Igor, wie sehr er arbeiten möchte. Früher habe er auf dem Bau gearbeitet, auch mal als Koch, und sei immer um 5 oder 6 Uhr aufgestanden. Mittlerweile ist es ihm egal, welchen Job er bekommt, Hauptsache Arbeit. „Jetzt laufe ich tagsüber rum und sammle Pfandflaschen.“ Manchmal würde er auch gemeinsam mit Ivars essen, entweder die Sachen, die sie vom Türken holen, oder sie gehen zum „CaFée mit Herz“. Dort bekämen sie warme Mahlzeiten und auch Kleidung.

„Housing First“: So sollen Hamburgs Obdachlose von der Straße kommen

Dafür, dass Menschen wie Ivars und Igor auch dauerhaft ein festes Zuhause haben und wieder Teil der Gesellschaft werden können, hat „CaFée mit Herz“ das Projekt „Housing First“ ins Leben gerufen. Das Projekt setzt sich dafür ein, Obdachlosen eine feste Bleibe zu organisieren und begleitet sie auch bei der Jobsuche. Michael Rulfs sagt: „Eine feste Bleibe über ist die Grundvoraussetzung, um wieder Fuß fassen zu können!“

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