• Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) macht sich für eine Überarbeitung der Prozessordnung bei Sexualdelikten stark.
  • Foto: imago images/Hoch Zwei Stock/Angerer

Viel Kritik: Hamburg setzt sich für Gesetzesänderung bei Sexual-Prozessen ein

Am Freitag kommt der Bundesrat zu einer historischen Sitzung zusammen. Es ist die insgesamt 1000. des wichtigen Bundesländergremiums – auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird eine Rede halten. Hamburg hat sich für die besondere Sitzung einen eigenen Antrag ausgedacht, der Betroffene bei Sexualstraftaten die Befragung erleichtern soll. Dagegen regt sich allerdings Kritik.

Unter dem wenig spannenden Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung“, der am Freitag im Bundesrat besprochen wird, verbirgt sich tatsächlich eine bedeutsame Änderung. Künftig sollen Zeug:innen, die Opfer einer Straftat gegen die eigene sexuelle Selbstbestimmung geworden sind, nicht mehr in der Hauptverhandlung aussagen müssen – zumindest wenn es nach der federführenden Hamburger Justizbehörde um Anna Gallina (Grüne) geht. Stattdessen sollen richterliche Zeug:innenbefragungen per Video aufgezeichnet werden, wie es bereits bei Minderjährigen möglich ist. Das würde bedeuten, dass zum Beispiel Anwälte nicht mehr in der Befragung zum Zuge kämen.

Hamburger Justizbehörde will Strafprozessordnung bei Sexualdelikten ändern

„Sexualstraftaten sind schwerste Eingriffe in den Intimbereich eines Menschen. Vor Gericht drohen die Betroffenen dann erneut zum Opfer zu werden, wenn sie von mehreren Personen befragt werden und sich dabei zum Teil auch nicht sachdienlichen Fragen oder einem einschüchternden Tonfall ausgesetzt sehen“, begründet Justizsenatorin Gallina den Vorstoß. Sie erhoffe sich dadurch eine höhere Aussage- und Anzeigebereitschaft.

Unterstützung bekommt sie dabei von Opferverbänden. So stellte sich der Weiße Ring hinter die Gesetzespläne. „Diese Regelung hat sich bei minderjährigen Zeugen seit Jahrzehnten bewährt. Es entspricht einer gesicherten Erfahrung der Mitarbeiter des Weißen Rings, dass die Opfer schwerster Sexualdelikte besonders häufig durch unsachgemäße persönlichkeitsverletzende Fragen, durch ständige Fragewiederholungen oder durch den aggressiven Tonfall von unmittelbar frageberechtigten Strafverteidigern eingeschüchtert werden. Bisher darf der vorsitzende Richter nur eindeutig unzulässige Fragen zurückweisen, was wegen des damit verbundenen Revisionsrisikos nur selten geschieht“, sagte der Hamburger Landesvorsitzende Hans-Jürgen Kamp.

Kritik an Hamburger Gesetzesinitiative

Doch nicht alle können sich mit dem neuen Vorschlag anfreunden. Harsche Kritik kommt von Strafverteidiger:innen. Demnach verstoße die Gesetzesinitiative aus Hamburg gegen das Recht des Angeklagten auf konfrontative Befragung sowie die Unschuldsvermutung. Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger wendet sich öffentlich gegen die Pläne aus der Justizbehörde. „Die Abschaffung des Rechts auf unmittelbare Befragung eines Hauptbelastungszeugen durch die Verteidigung birgt die Gefahr von Fehlurteilen, mit fatalen Folgen für die Beschuldigten“, sagte das Vorstandsmitglied Arne Timmermann.

In einer Pressemitteilung heißt es weiter, dass der Sinn eines Strafprozesses sei, erst einmal zu überprüfen, ob es überhaupt ein Opfer gegeben habe. „Der Vorschlag unterstellt, dass jede Anzeige eines Sexualdelikts auch erlebnisbasiert ist. Diese Annahme verstößt eklatant gegen die Unschuldsvermutung – und gegen die alltäglich in Strafprozessen erfahrbare Realität“, heißt es in der Stellungnahme. Die Strafverteidiger:innen fordern den Hamburger Senat auf, die Bundesratsinitiative zurückzuziehen.

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Ehe aus dem Hamburger Vorschlag allerdings wirklich eine Gesetzesänderung werden könnte, ist noch ein weiter Weg zu bestreiten. Am Freitag wird der Vorschlag erst einmal in den Rechtsausschuss zur Beratung überwiesen werden. Wie das Stimmungsbild in den anderen Bundesländern zu der Initiative ist, ist derzeit noch unklar.

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