• Viele Menschen versammelten sich an der abgebrannten Anlage, um gegen die Massentierhaltung zu demonstrieren.
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Tausende tote Tiere nur Sondermüll?: Nach Feuer-Drama: Demo vor Schweinezucht-Anlage

Tellin/Roßdorf –

Einen Tag nach dem verheerenden Stallbrand in Vorpommern rücken langsam die großen Dimensionen in den Fokus. Laut Agrarministerium sind wohl mehrere zehntausend Ferkel und Sauen bei dem Brand getötet worden. Die Betreiber schweigen, die Polizei sucht die Brandursache.

Nach dem Großbrand in der riesigen Schweinezuchtanlage Alt Tellin (Vorpommern-Greifswald) hat die Polizei Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen. Wie ein Polizeisprecher am Mittwoch sagte, versucht ein Brandgutachter auf dem Gelände mit Hilfe des Technischen Hilfswerkes und Kriminalisten die genaue Brandursache herauszufinden.

Ein Feuer ist in der Schweinezuchtanlage ausgebrochen und bedroht Tausende Tiere.

Ein Feuer war am Dienstag in einer Schweinezuchtanlage in Alt Tellin ausgebrochen. Tausende Tiere kamen ums Leben.

Foto:

dpa

Bis es ein Ergebnis gibt, könne es wegen der immer noch sehr heißen Blechteile und etlicher weiter glimmender Glutnester aber noch Tage dauern.

Brand in Anlage im Norden: 50.000 Ferkel und 10.000 Sauen

Die Ferkelaufzuchtanlage der Landwirtschaftlichen Ferkelzucht Deutschland (LFD) Holding (Roßdorf) wurde mit einer Kapazität von rund 10.000 Sauen und 50.000 Ferkeln zu den größten in Deutschland gezählt.

Bei dem Brand waren nach Angaben des Schweriner Agrarministeriums vermutlich mehrere zehntausend Ferkel und Sauen getötet worden. Nach Angaben des Landkreises konnten nur etwa 1500 Tiere gerettet werden.

Feuer im Norden zerstörte alle Stallanlagen

Das Feuer war am Dienstagmorgen auf dem Gelände der LFD Holding ausgebrochen und hatte bis zum Abend alle Stallanlagen zerstört. Bürgermeister Frank Karstädt (parteilos) sprach von einem Millionenschaden. Die Betreiber der Anlage wollten sich bisher nicht zu konkreten Tierzahlen, möglicher Brandursachen und zur Höhe des Schadens äußern. Die LFD bewirtschaftet nach eigenen Angaben elf Schweinezuchtanlagen in mehreren Bundesländern, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Der umstrittene Alt Telliner Betrieb war 2011 für rund 20 Millionen Euro gebaut worden.

Stallbrand

Bei einem Stallbrand in Mecklenburg-Vorpommern kamen mehrere zehntausend Schweine ums Leben. 

Foto:

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Bis zur Freigabe des beschlagnahmten Brandortes darf auch die Beräumung nicht beginnen, sagte der Polizeisprecher. Die Beräumung werde deshalb noch Tage dauern. So war auch die Entsorgung von tausenden Tierkadavern noch nicht geklärt. Wie Kreissprecher Achim Froitzheim sagte, sind mit den Tieren viele Kunststoffteile, wie Spaltenböden, verbrannt.

Tausende tote Kadaver werden wohl als Sondermüll entsorgt

So müssten die Behörden entscheiden, ob die vielen Kadaver noch in die Tierkörperbeseitigung kämen oder das Ganze als Sondermüll entsorgt werden muss. Die wenigen geretteten Schweine, von denen einige verletzte noch getötet werden mussten, wurde inzwischen weggefahren. Nach Angaben von Froitzheim war der Einsatz auch für die bis zu 75 Kameraden und Veterinäre sehr schlimm gewesen: „Die Leute haben Bilder im Kopf, die sind unbeschreiblich.“ Die Feuerwehr hatte nur verhindern können, dass das Feuer auf eine Biogasanlage und Futtersilos übergriff.

Die LFD, die inzwischen eine Sicherheitsfirma nach Alt Tellin beordert hat, um Schaulustige und Fotografen fernzuhalten, bedankte sich per Pressemitteilung bei Einsatzkräften. Mit Hilfe der Feuerwehr und der eigenen Mitarbeiter hätten noch Tiere aus den brennenden Ställen gerettet werden können, hieß es. Angaben zur Schadenshöhe sowie dessen Ursache ließen sich erst nach Abschluss der laufenden Ermittlungen machen. „Dabei arbeiten alle Beteiligten eng zusammen“, hieß es.

Das könnte Sie auch interessieren: Einsatzkräfte retten mehrere Dutzend Schweine 

Zu den Tierzahlen sagte Sprecher Ralf Beke-Bramkamp, man müsse erst Protokolle vergleichen und die Zahlen mit den Behörden abstimmen. Der Brand hat auch in der Politik eine Debatte um die Größe von Nutztieranlagen ausgelöst. Grüne und Linke hatten bereits am Dienstag ein „Umdenken“ bei den Planungen gefordert und künftig nur noch kleinere und im Brandfall leichter beherrschbarere Anlagen verlangt. Die AfD im Schweriner Landtag wies darauf hin, erst die Ergebnisse zur Ursache des Feuers abzuwarten. Die Dimensionen in Alt Tellin schockierten allerdings.

AfD-Fraktion: „Tierwohl und Regionalität nicht zum Nulltarif“

Völlig unangebracht sei es, aus dieser Tragödie politisches Kapital zu schlagen, sagte der agrarpolitische Sprecher der AfD-Fraktion Ralf Borschke. Eine Debatte über diese Art der Tierhaltung, insbesondere in Hinblick auf die Größenordnungen, müsse ehrlich geführt werden. So müssten sich Verbraucher und Lebensmitteleinzelhandel die Frage stellen, ob sie nicht selber durch ihr Verhalten solche Entwicklungen heraufbeschworen haben. „Tierwohl und Regionalität gibt es nicht zum Nulltarif“, erklärte Borschke. Solche Anlagen wie in Alt Tellin seien die direkte Folge des Verbraucherwunsches nach günstigem Fleisch.

Feuer_in_Schweinezuc_68919625

Ein Mann trägt ein Plakat mit dem Schriftzug „Wir sind betroffen Tierqual stoppen“.

Foto:

Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) verteidigte sich gegen Kritik, er habe die Schweinezuchtanlage genehmigt. Das sei das Wirtschaftsministerium unter dem damaligen Minister Jürgen Seidel (CDU) gewesen, wie Backhaus am Mittwoch erklärte. „Ich habe mich für eine klare Begrenzung von großen Tierhaltungsanlagen eingesetzt.“ Entsprechende Vorhaben seien allerdings auf Bundesebene begraben worden. Er hoffe nach dem Brand auf ein Umdenken.

Am Abend versammelten sich vor Ort Demonstranten. Auf ihren Schildern war etwa „Tierqual stoppen!“ zu lesen. Anwohner hatten den Protest organisiert. „Ich war schon immer gegen die Anlage“, sagte einer von ihnen. Nach Angaben der Initiatoren kamen rund 200 Menschen zusammen, die auf zwei Versammlungen aufgeteilt werden mussten.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp