Fund bei Hamburg : Waffen, Geld, Pässe – mit Depots sicherte die RAF ihr Überleben
Seevetal –
Ein abgelegenes Waldstück in den Harburger Bergen, trotzdem leicht zu erreichen von den Autobahnen A1 und A7: Wenn es sich bei dem in Seevetal bei Hamburg entdeckten Depot tatsächlich um einen von den Linksterroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) angelegten Erdbunker handelt, dann war es eines ihrer typischen Verstecke.
Nach dem Fund eines Kunststoff-Fasses mit alten Chemikalien und Schriften stellte das niedersächsische Landeskriminalamt rasch einen Bezug zur RAF her. „Erdbunker waren für die RAF nicht ungewöhnlich“, bekräftigte LKA-Sprecherin Katrin Gladitz am Montag. Nach erster Einschätzung datiere der Fund auf die frühen 1980er Jahre.
Fund in Seevetal: Verbindung zur RAF möglich
Vergraben war das Fass oben an einem Abhang, nur wenige Meter entfernt stehen heute eine Holzhütte und ein Bauwagen. Gefunden wurde das Fass nach Polizeiangaben bei Waldarbeiten. Die Schriften darin seien Anleitungen zum Bombenbau, berichtete die „Bild“-Zeitung am Montag. Feuerwehrleute in Schutzanzügen bargen die Chemikalien sehr vorsichtig, bis feststand, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht.
Bei einem entscheidenden Schlag gegen die RAF haben solche Erddepots eine Rolle gespielt. Von 1970 bis zur Selbstauflösung 1998 verbreitete die linksterroristische Stadtguerilla Angst und Schrecken in Deutschland. 34 Morde an Politikern, Wirtschaftsführern und ranghohen Beamten gehen auf ihr Konto.
RAF: Polizei geht von insgesamt 18 Depots aus
„Anfang der 1980er Jahre änderte die RAF ihr Wohnungswesen“, sagt Jurist und Experte Butz Peters. Konspirative Wohnungen wurden aufgelöst, um schneller und ohne Spuren verschwinden zu können. Stattdessen wurden Waffen, Geld und Dokumente an mutmaßlich 18 Orten vergraben. „Es entstand eine Depotkette, die über ganz Deutschland verteilt war.“
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Allerdings entdeckte die Polizei schon im Oktober 1982 ausgerechnet das zentrale RAF-Depot in einem Wald bei Heusenstamm südlich von Frankfurt. Unter den mehr als 1000 Gegenständen fanden sich auch verschlüsselte Wegbeschreibungen zu den 17 anderen Verstecken. Sie waren geschrieben als Rätsel mit linkem Szene-Slang, „Texte für Insider mit der entsprechenden Fantasie“, sagt Peters. Elf dieser Rätsel löste die Polizei im Laufe der Zeit und fand die Depots.
Depots der RAF: Verstecke führten die Fahnder zu den Terroristen
Zugleich legten sich die Fahnder in den Wäldern auf die Lauer, etwa 2000 Polizisten und Zollbeamte lösten einander über Wochen ab. So gingen im November 1982 die Terroristinnen Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulze am Heusenstammer Depot ins Netz. Wenige Tage später wurde Christian Klar an einem Depot im Sachsenwald bei Hamburg verhaftet. „Das war praktisch das Ende der zweiten Generation der RAF“, sagt Peters. Diese Generation war für den sogenannten Deutschen Herbst 1977 mit der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer verantwortlich gewesen.
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Falls der Seevetaler Fund tatsächlich eine RAF-Hinterlassenschaft ist, könnte es sich um eines der mutmaßlich sechs noch unentdeckten Depots handeln. Die Frage ist, ob sich in den alten Akten eine Wegbeschreibung dorthin findet. Das LKA untersucht den Fund auch auf mögliche Fingerabdrücke oder DNA-Spuren. Es werde frühestens Ende der Woche Angaben zum Ermittlungsstand geben, sagte Gladitz.
Fund in Seevetal: Weitere Rätsel bleiben offen
Das LKA erwartet sich von dem Fund aber keine Erkenntnisse für ein Rätsel, das die RAF bis heute aufgibt. Die Terroristen Ernst-Volker Staub (66), Burkhard Garweg (52) und Daniela Klette (62) scheinen immer noch im Untergrund zu leben und sich mit Raubüberfällen zu finanzieren. Am Montag war es genau fünf Jahre her, dass die Verbindung des Trios zu diesen Überfällen in Norddeutschland bekannt wurde. Zwölf Taten von 1999 bis 2016 rechnet die Polizei ihnen zu.
Um Spuren zu ihnen zu finden, habe das Seevetaler Fass zu lange unberührt in der Erde gelegen, sagt Gladitz. Peters sagt, dass von den Gesuchten nur Staub schon in den 1980er Jahren zur RAF gehört habe. (hb/dpa)