• Der französische Präsident Emmanuel Macron hat wenig Verständnis für die langsame Impfprozedur in seinem Land.
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Impf-Desaster in Frankreich: Regierung unter Druck – Präsident Macron mit Wutausbruch

Paris –

Nicht nur in Deutschland werden die Klagen über den verschleppten Impfstart immer lauter: Auch in Frankreich gerät die Regierung immer mehr unter Druck. Die Kritik am Präsidenten nimmt zu. Doch auch Macron ist verärgert – sein Gesundheitsminister machte nun eine klare Ansage.

Man werde die Corona-Impfstrategie jetzt „verstärken, beschleunigen und vereinfachen“, kündigte Gesundheitsminister Olivier Véran am Dienstag im Gespräch mit dem französischen RTL an. 

Die Impfungen sollen so bald wie möglich allen Menschen über 75 Jahren zugänglich sein. Bislang werden nur Bewohner von Altenheimen geimpft, da diese Gruppe am stärksten unter der Pandemie zu leiden habe. Gesundheitsminister Véran sagte außerdem, dass Anmeldungen für eine Impfung über Internet und Telefon möglich sein sollen. Konkret solle das Prozedere am Donnerstag vorgestellt werden.

Frankreich: Regierung wegen Impfstrategie unter Druck

In Frankreich herrschte am Dienstag zunächst noch immer Unklarheit über die konkrete Zahl der geimpften Menschen. Am Montag sei die Zahl von 2000 Impfungen überschritten worden, sagte Véran. Fakt ist, dass Frankreich im Vergleich mit vielen anderen Staaten hinten liegt. Véran versprach, dass man in den kommenden Tagen zu den Nachbarn aufschließen werde. Zum Vergleich: In Deutschland wurden Stand Montagmittag offiziell mehr als 260.000 Impfungen gemeldet.

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„Warum nicht einfach impfen? Wie die Israelis, die Briten oder die Deutschen?“, schrieben rund 30 Medizinerinnen und Mediziner in einem offenen Brief. Sie monieren einen „Wettlauf gegen die Zeit“ und kritisieren etwa komplizierte Zustimmungsverfahren beim Impfen. Das derzeitige System sei dem Ernst der Lage nicht gewachsen.

Impfung: Mehrere Tage Bedenkzeit nach Vorgespräch

Grund für das langsame Impfprozedere ist besonders eine Regelung: Die Impfung darf nicht ohne ein vorausgehendes Beratungsgespräch erfolgen, das von einem Arzt durchgeführt wird. Nach diesem Gespräch muss es mehrere Tage Bedenkzeit geben und eine schriftliche Einwilligung erfolgen. Erst dann kann geimpft werden, berichtet der „Spiegel“.

Doch auch die Logistik verlangsamt den Prozess: Die Impfungen sollen in den Altenheimen durchgeführt werden. Dafür müssen die Impfdosen quer durch das Land gefahren werden – um die insgesamt 14.000 Heime zu beliefern. Doch vor Ort fehlt dann oft der Arzt, der das Gespräch und die Impfung übernehmen könnte.

Doch für dieses komplizierte Verfahren hat das Land keine Zeit: Frankreich mit seinen 67 Millionen Einwohnern ist schwer von der Covid-19-Pandemie getroffen – mehr als 65.000 Menschen sind bisher gestorben.

Kritik an Präsident Macron

Gerade aus den Regionen gab es zuletzt immer wieder massive Kritik an Paris. Der Präsident des Regionalrats von Hauts-de-France, Xavier Bertrand, klagte, keinen Überblick über die seiner Nordregion zur Verfügung stehenden Impfdosen zu haben. „Uns wurde gesagt, dass Pflegekräfte über 50 Jahre geimpft werden können. Aber diejenigen, die an diesem Montag anriefen, um herauszufinden wo, erhielten keine Informationen“, sagte er der Zeitung „Le Parisien“. Eine solche Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und der Realität vor Ort sei nicht akzeptabel. Der letzte Platz auf der Impfrangliste dürfe nicht Frankreichs Platz sein.

Bertrand sieht auch Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in der Pflicht. Generell wird die Kritik am Staatschef von rechts wie von links lauter. So polterte Jordan Bardella, Europa-Abgeordneter der rechtspopulistischen Partei „Rassemblement National“ von Marine Le Pen: „Wir impfen in einer Woche so viele Menschen wie die Deutschen in dreißig Minuten“.

Und der Generalsekretär der Sozialisten, Olivier Faure, schimpfte, dass der Auftakt der Impfkampagne eine Beleidigung für das Land von Louis Pasteur sei – dem großen französischen Mikrobiologen, der das moderne Impfstoffwesen begründet hatte.

Doch auch aus den Reihen der Ärzte kommt Kritik. „Wenn wir in diesem Rhythmus weitermachen, brauchen wir geschätzt 3000 Jahre, bis alle geimpft sind“, so Bruno Megarbane, Chefarzt der Intensivmedizin im Pariser Krankenhaus Hopital Lariboisière zur Tageszeitung „Parisien“.

Präsident kritisiert Impfprozess in Frankreich

Dem gescholtenen Macron geht der bisherige Kampf gegen das Virus ebenfalls viel zu schleppend. In seiner Neujahrsansprache am vergangenen Donnerstagabend machte er deutlich, dass er nicht zulassen werde, dass sich die durch nichts zu rechtfertigende Langsamkeit im Impfprozess durchsetzen werde.

Abseits der Kamera soll der französische Präsident noch deutlicher geworden sein: Der derzeitige Rhythmus entspreche dem eines gemütlichen Familienspaziergangs. Er werde weder dem kritischen Moment des Infektionsgeschehens noch den Bedürfnissen der Franzosen gerecht, zitiert die Zeitung „Journal du Dimanche“ Macron. „Ich befinde mich morgens, mittags, abends und nachts im Krieg gegen das Virus“, soll der Präsident laut Élysée-Mitarbeitern seinen Gesprächspartnern entgegen gehalten haben. Er erwarte daher dasselbe Engagement von allen Beteiligten. Es sei Zeit für Schnelligkeit und Veränderung.

Der verärgerte französische Präsident und sein Gesundheitsminister wollen nun den bürokratischen und langsamen Gesundheitsapparat überwinden. Es gab bereits eine Krisensitzung. Jetzt soll dafür gesorgt werden, dass die Millionen Impfdosen in den Kühlkammern des Landes auch zum Einsatz kommen.

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