Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) denkt über längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke nach.
  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) denkt über längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke nach.
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Kohle und Atom: Habeck sucht den Rückwärtsgang

Der Ukraine-Krieg verändert fast alles. Ganz sicher aber die deutsche Energiepolitik: Nun hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Blick auf die Versorgungssicherheit sogar den Kohleausstieg in Frage gestellt – für den seine Partei jahrelang gekämpft hatte. Und auch über die Atomkraft wird wieder diskutiert.

Deutschland ist in Sachen Energie stark abhängig von Russland: Vor allem bei Kohle und Gas. Die Steinkohleförderung wurde hierzulande 2018 eingestellt. Seither kommen etwa 50 Prozent der verfeuerten Kohle aus dem Riesenreich. Spitzt sich der Konflikt mit Russland weiter zu, könnte der Kreml die Gas- und Kohlelieferungen drosseln oder sogar einstellen. Um vor allem unabhängiger vom russischen Gas zu werden, schließt Habeck nun nicht mehr aus, dass Kohlekraftwerke länger laufen könnten. „Da muss der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen, die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein“, erklärte er nun. Eigentlich hatte die Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass der Kohleausstieg „nach Möglichkeit“ von 2038 auf 2030 vorgezogen werden soll.

Habeck: „Wir haben uns in die Ecke manövriert“

Im Zweifel sei diese Sicherheit wichtiger als Klimaschutz, so Habeck. Mittelfristig aber seien Unabhängigkeit in der Energiepolitik und eine klimaneutrale Energieproduktion das gleiche. Je stärker sich Deutschland auf eigene Energiequellen stütze, desto souveräner könne das Land außenpolitisch reagieren. Zuletzt sei die Abhängigkeit von Russland immer größer geworden. „Wir haben uns da ganz schön in eine Ecke manövriert“, so der Minister. Doch selbst wenn Russland seine Gaslieferungen stoppen sollte, sei man vorbereitet. „Für den laufenden Winter und den Sommer kann ich Entwarnung geben, das würden wir gut überstehen.“


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Druck kommt auch von den ostdeutschen Bundesländern in denen noch Braunkohle abgebaut wird. „Man muss sich einfach nochmal ehrlich machen und die Scheuklappen beiseite lassen, was Braunkohle und was Atom angeht“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Ähnlich sieht man das auch in den Kohle-Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Im Osten Deutschlands wird noch immer 80 Prozent des Stroms mit Hilfe von Kohle erzeugt. Bizarr: Die Energieerzeuger selbst wollen nicht grundsätzlich am Kohleausstieg rütteln. „Für die Energiebranche steht der Kohleausstieg nicht in Frage“, sagt beispielsweise Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energiewirtschaft.

Markus Söder will lieber Atom statt Kohle

Und auch die Bayern beteiligen sich rege an der Diskussion. Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Ein längerer Betrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland könnte für einen kurz begrenzten Zeitraum sehr helfen“, erklärte er in München. Habeck hatte zuletzt auch durchblicken lassen, das er dies ähnlich einschätzt.

Ganz anders reagiert die Linkspartei. Deren Chefin Susanne Hennig-Wellsow lobte Habeck zwar dafür, dass er „pragmatische Lösungen“ suche. Aber: „Das darf nicht bedeuten, den energiepolitischen Rückwärtsgang einzulegen und weiter auf Kohle- und Atomkraft zu setzen.“

Linke: Mehr Erneuerbare statt mehr Bundeswehr

Vielmehr müssten erneuerbare Energien viel schneller ausgebaut werden. Die für die Bundeswehr vorgesehenen 100 Milliarden Euro wären dafür besser angelegt, meinte die Linken-Vorsitzende. Versorgungssicherheit und Klimaschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

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Am Mittwoch kündigte Habecks Ministerium allerdings an, zunächst für 1,5 Milliarden Euro Flüssiggas ankaufen zu wollen, um die Versorgungssicherheit weiter zu stärken. Flüssiggas-Verkäufer sind neben Russland vor allem Katar und Australien. Zudem plant die Bundesregierung, künftig eine „nationale Reserve“ für Kohle und Gas anzulegen.

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