Die 15-jährige Anastasia Tikatapanidi hat Angst um ihre Familie in der Ukraine.
  • Die 15-jährige Anastasia Tikatapanidi hat Angst um ihre Familie in der Ukraine.
  • Foto: Florian Quandt

„Ich habe Angst um meine Familie“: Was Hamburger auf der Ukraine-Demo bewegt

„No to War“, „Ukraine, Stay Strong“: Am Donnerstagmittag war der Spielbudenplatz auf St. Pauli getaucht in blau-gelbe Plakate, Fahnen und Banner. Junge Hamburger:innen wollten ein eindrucksvolles Zeichen für den Frieden setzen und marschierten dafür lautstark quer durch die Innenstadt. Die MOPO war mit dabei und hat mit den Demonstrierenden vor Ort gesprochen – was bewegt sie?

Schon in der vollgestopften U-Bahn auf dem Weg nach St. Pauli zeichnet sich ab: Das wird heute voll. Das Ziel ist der Spielbudenplatz mitten auf dem Kiez, wo „Fridays For Future Hamburg“ ab 12 Uhr zur großen Demonstration „Solidarität mit der Ukraine“ aufgerufen hat. Dafür hatte Schulsenator Ties Rabe (SPD) sogar die Schulleitungen aufgefordert, den Jugendlichen schulfrei zu geben.

„Fridays for Future“ organisiert Demo gegen den Krieg

Als die ersten Redebeiträge beginnen, ist der Platz bis weit hinten gefüllt. Darunter überwiegend Jugendliche, aber auch Eltern mit ihren Kindern. „Die ganze Welt sieht diesem sinnlosen Krieg zu“, sagt die 46-jährige Audra Bohlen, an der Hand ihren elfjährigen Sohn Frederik. „Das Beste wäre natürlich, wenn Putin seine Truppen abziehen würde, aber das wird er nicht machen. Deshalb müssen wir auf die Straße gehen – besonders die Bevölkerung in Russland.“

Sie verfolge die russischen Medien. „Die Berichterstattung ist dort eine ganz andere, viele Menschen sehen deshalb den Krieg nicht so wie wir“, sagt sie.

Audra Bohlen (46) ist zusammen mit ihrem Sohn Frederik (11) auf die Demo in Hamburg gekommen. Florian Quandt
Audra Bohlen (46) ist zusammen mit ihrem Sohn Frederik (11) auf die Demo in Hamburg gekommen.
Audra Bohlen (46) ist zusammen mit ihrem Sohn Frederik (11) auf die Demo in Hamburg gekommen.

Hier in Hamburg wird der Krieg als das gesehen, was er ist: ein Angriffskrieg, der Menschen tötet. Damit wendet sich die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer an die Menge. „Krieg sollte nie Teil meiner Generation werden – dieses Versprechen wurde gebrochen“, sagt sie. Ihr Fokus liegt auf den erneuerbaren Energien: „Das ist ein fossiler Krieg und ein Teil davon wird mit unserem Strom finanziert“, betont Neubauer.

Demo in Hamburg: „No to War“ rufen die Teilnehmer

Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Von St. Pauli geht es am Michel vorbei und über die Landungsbrücken wieder zurück. „Ich bin hier, weil der Krieg aufhören muss“, sagt die 15-jährige Anastasia Tikatapanidi. Ein Großteil ihrer Familie ist noch in der Ukraine. „Ich kann mich kaum im Unterricht konzentrieren und mir geht es sehr schlecht“, sagt sie mit brüchiger Stimme. „Ich habe Angst um meine Familie. Meine Oma ist im Moment an der Grenze zu Polen und versucht zu flüchten.“

Mit ihr dabei: der 17-jährige Jakub Daniel Baruto: „Ich komme aus Polen, dort flüchten derzeit viele Ukrainer hin. Vor Ort werden sie sehr herzlich von der Bevölkerung empfangen, das ist wirklich schön zu sehen.“

„Nein zum Krieg“ steht auf russischem auf dem Plakat von Jakub Ddaniel Baturo. Florian Quandt
„Nein zum Krieg“ steht auf russischem auf dem Plakat von Jakub Ddaniel Baturo.
„Nein zum Krieg“ steht auf russischem auf dem Plakat von Jakub Daniel Baturo.

Zwei Stunden später sammeln sich die ersten wieder auf St. Pauli ein. Es ist vor allem das Gefühl der Machtlosigkeit, das die meisten heute auf die Straße treibt. „Wir haben schon gespendet, aber sonst bleibt uns nicht mehr übrig“, sagt der 25-jährige Alexander Harder, der zusammen mit seinem zehnjährigen Neffen Louis auf die Abschlusskundgebung wartet. „Wir wollen ein Zeichen setzen.“

Alexander Harder (25) will mit seinem Neffen Louis (10) ein Zeichen für den Frieden setzen. Florian Quandt
Alexander Harder (25) will mit seinem Neffen Louis (10) ein Zeichen für den Frieden setzen.
Alexander Harder (25) will mit seinem Neffen Louis (10) ein Zeichen für den Frieden setzen.

Demo in Hamburg: FFF spricht von 120.000 Teilnehmern

Laut „Fridays For Future“ wollten das insgesamt 120.000 Teilnehmer – die Polizei spricht lediglich von „mehr als 20.000“. „Die Zahlen der Polizei sehen wir als falsch an. Jeder der hier war, hat einen anderen Eindruck“, so FFF-Sprecherin Annika Rittmann zur MOPO.

FFF spricht von bis zu 120.000 Teilnehmern in Hamburg – die Polizei schätzt deutlich weniger. Florian Quandt
FFF spricht von bis zu 120.000 Teilnehmern in Hamburg – die Polizei schätzt deutlich weniger.
FFF spricht von bis zu 120.000 Teilnehmern in Hamburg – die Polizei schätzt deutlich weniger.

Besonders bewegend sind die Redebeiträge der ukrainischen Aktivisten. „Mein Cousin muss gerade Molotowcocktails bauen, um sich zu verteidigen“, erzählt Alexander Blümel. Eva, eine junge Hamburgerin mit ukrainischen Wurzeln, berichtet ebenfalls von ihrer Familie. „Manche haben ihre Wohnungen seit acht Tagen nicht verlassen, manche konnten fliehen.“

Mit „Slawa Ukrajini!“ (Deutsch: „Ehre der Ukraine!“) beendet sie ihre Rede. „Slawa Ukrajini!“, schallt es ihr zehntausendfach zurück. Es war ein Zeichen der Solidarität, das die Demonstrierenden in Hamburg setzen wollten – das ist ihnen gelungen.

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