Spannendes Projekt: Wie dieser Hamburger für den Klimaschutz kämpft
Sprosse für Sprosse immer weiter die Karriereleiter hinauf. Vom Mitarbeiter am Check-in zum Geschäftsführer der Flughafen-Abfertigung. Dazu Frau. Kind. Haus. Eine runde Welt. Aber nur scheinbar. Für Pascal Girardot (51) irgendwann nur noch Stress. Er bekam einen Burn-out. Und fand endlich das, was er gesucht hatte. Eine wichtige Aufgabe, die ihn erfüllt. „Ohne meinen Zusammenbruch hätte es Citizens Forests nicht gegeben.“ Einen Verein, der „Tiny-Wälder“ pflanzt und sich durch die Aufforstung für den Klimaschutz einsetzt.
Was mache ich hier überhaupt? Was will ich und wer bin ich? Fragen, die Pascal nach seinem Zusammenbruch durch den Kopf gingen. Schnell fand er Antworten. Und eine wichtige Erkenntnis: Es ist seine Aufgabe, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Dass seine Tochter ihm irgendwann den Vorwurf machen könnte, von der Krise gewusst und trotzdem nichts unternommen zu haben – für Pascal eine schlimme Vorstellung. Er wollte nicht abwarten und irgendwie auf das Beste hoffen. „Dass wir als Gesellschaft nichts machen können, war für mich nicht zu akzeptieren.“ Der gebürtige Franzose informierte sich über Klimaschutz und Lösungen. Er stieß in einem Buch auf das Thema Aufforstung und die „Miyawaki-Methode“ des japanischen Pflanzensoziologen Akira Miyawaki.
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Dabei werden einheimische Bäume und Sträucher dicht an dicht gepflanzt. Drei Bäume pro Quadratmeter. „Es entsteht ein schnell wachsender Wald, der deutlich mehr Kohlendioxid bindet und klimaresistenter ist als eine Monokultur.“ Schon Flächen ab 60 Quadratmetern können mit der Methode bepflanzt werden. Und was sich in seiner Kommune umsetzen lässt, lässt sich vielleicht auch in anderen Ortschaften realisieren? Die Idee für „Citizens Forests“ war geboren. Aber Pascal stand alleine da. Obwohl er schon seit 13 Jahren in Bönningstedt (Kreis Pinneberg) lebte, kannte er kaum jemanden. Sein Leben hatte sich am Hamburger Flughafen abgespielt. Nach Hause ging er nur zum Schlafen. Pascal knüpfte erst Kontakte zu Nachbarn, dann zur Gemeinde.
„Citizens Forests“ in Hamburg: Und plötzlich ist da ein Urwald
Seine Vision kam an und so gründete er im April 2019 mit zehn Mitstreitern den Verein „Citizens Forests“. Nach vier Wochen entstand der erste Wald auf einer Fläche der Gemeinde. Vier Monate später kamen mehr als 150 Helfer zur zweiten Pflanzaktion. „Wir konnten es gar nicht fassen und mussten die Fläche kurzerhand verdoppeln, damit überhaupt jeder etwas pflanzen kann“, sagt Pascal stolz. Er steht inmitten des Waldes und zeigt begeistert, wie groß die Bäume am Anfang waren. „Und jetzt dieser Urwald hier. Das ist unglaublich, wie schnell alles wächst.“
Mittlerweile haben Pascal und seine Mitstreiter sieben zwischen 200 und 2500 Quadratmeter große Wälder gepflanzt. Auch auf Privatgrundstücken. Einzige Voraussetzung: Der Besitzer muss sich bereit erklären, sein Grundstück 15 Jahre lang zur Verfügung zu stellen. Der Verein stellt das Know-how zur Verfügung, übernimmt den Einkauf der Setzlinge und sorgt für die Finanzierung durch Spendengelder. Zwei Quadratmeter kosten 15 Euro. Um die Fortschritte zu dokumentieren, werden zweimal im Jahr per Satellit Bilder der Grundstücke gemacht.
„Citizens Forests“ eine gesellschaftliche Aufgabe
Jeder Wald ist ein Fortschritt für Pascal. Das Wichtigste sind ihm jedoch die Aktionen selber. „Das Pflanzen hat eine enorme Auswirkung auf die Mitbuddler. Dadurch setzen sie sich mit den ökologischen Zusammenhängen auseinander und hinterfragen ihre eigenen Gewohnheiten. Das ist vielleicht der wichtigste Effekt, den wir mit unserer Arbeit haben“, sagt der Mann mit breitem französischem Akzent. Manchmal muss er noch überlegen, um die richtigen Worte zu finden. „Guten Tag“, „Bordkarte“ und „gucken“ waren die einzigen Begriffe, die er beherrschte. Damals, als er wegen seiner Ex-Freundin nach Deutschland kam. Die Partnerschaft zerbrach. Er blieb. Verliebte sich wieder und wurde Vater einer mittlerweile zwölfjährigen Tochter.
Pascal lebt heute mit seiner Familie in einem Reihenhaus in Bönningstedt und arbeitet als Vertriebs-Mitarbeiter. Er verkauft Produkte an Baumärkte und Gärtnereien. Ein herausfordernder Job, der ihm trotzdem etwas Flexibilität lässt. „Ich brauche die Zeit für ‚Citizens Forests‘. Das ist nicht nur meine Erfüllung, sondern auch meine gesellschaftliche Aufgabe.“ 20 Stunden pro Woche investiert er für den Verein. Mit Erfolg. Mittlerweile stemmt er das Projekt gemeinsam mit seinem Partner Boris Kohnke und rund 40 Mitstreitern. Zudem gibt es einen Partnerverein in Paris und Mitstreiter in Wien.
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Dass bundesweit in jeder Stadt Gruppen von Bürgern entstehen, die dauerhaft Wälder pflanzen, ist Pascals Ziel. „Ich wünsche mir, dass Aufforstung als ganz selbstverständliche Aktivität in das Leben integriert wird. So wie andere Leute Blumen in ihrem Garten pflanzen.“ Ein ambitioniertes Ziel. Das weiß Pascal. Aber er will dafür kämpfen und andere für die Idee begeistern. Für dieses Jahr hat der Verein bereits etliche Anfragen aus ganz Deutschland. Den Start macht er im Frühling aber erst mal um die Ecke. In Barmstedt und später in Halstenbek werden zwei neue Wälder gepflanzt. „Und danach in der ganzen Welt“, sagt Pascal und schmunzelt.
So wird „Citizens Forests“ geholfen
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.
„Citizens Forests“ wünscht sich einen Autoanhänger, um Bäume und Material transportieren zu können. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“.
„Wir freuen uns, dass bald auch bei uns in direkter Nachbarschaft gepflanzt wird, und werden die Aktion tatkräftig unterstützen“, sagt Norbert Zobel, Filialdirektor der Haspa Rellingen. Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im Bessermacher-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet!