Neues Projekt im Emsland: Traditionswerft setzt auf schwimmende Häuser
Metropolen am Wasser haben alle ein Problem: Die Flächen für Gebäude in zentraler Lage sind so rar wie begehrt. Gebäude auf dem Wasser könnten da eine Option sein. Eine Werft aus dem Norden will diese Nische jetzt nutzen.
Wer demnächst einen schwimmenden Hotelbau oder eine Villa über die Ems fahren sieht, oder eine Feuerwehrwache auf Pontons über die Ostsee, der darf sich nicht wundern. Die 227 Jahre alte „Meyer Werft“ in Papenburg bleibt zwar dem Schiffbau treu, erweitert aber ihr Portfolio und setzt auf „Floating Real Estate“, also schwimmende Immobilien. „Es gibt dafür einen Markt, und es ist hochspannend“, sagte Geschäftsführer und Seniorchef Bernard Meyer. „Wir reden nicht über Hausboote, sondern über richtig große Einheiten.“
Werft im Norden will schwimmende Häuser gegen die Wohnungsnot bauen
Um das Projekt anzugehen, hat Bernard Meyer einen Partner gesucht und in der finnischen Stadt Turku gefunden, wo Meyer selbst eine Werft hat. Zusammen mit dem Unternehmen Admares Marine in Turku gründete die Meyer-Gruppe ein Joint Venture, das unter dem Namen Meyer Floating Solutions firmiert. Die Papenburger halten die knappe Mehrheit an der Gesellschaft. Noch ist die Truppe mit einem Kernteam von 20 Mitarbeitenden überschaubar.
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Aber Meyer hat 7000 Angestellte, darunter 1000 Ingenieur:innen und viel Erfahrung im Bau komplexer, schlüsselfertiger und versorgungsautarker Einheiten, denn nichts anderes ist ein Kreuzfahrtschiff. Und mit der Projektentwicklungsgruppe Admares Marine holte sich die Werft den nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Segment „Floating Real Estate“ an Bord: Admares baute unter anderem in Dubai den künstlichen Strand für das Luxushotel „Burj Al Arab“.
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Der auch für Forschung und Entwicklung zuständige Meyer-Geschäftsführer Thomas Weigend sieht das Potenzial vor allem in großen Städten am Wasser und im Ausland – Hotels in der Karibik, Wohn- oder Bürohäuser in New York oder Rio, eine schwimmende Feuerwache in Rotterdam, Krankenhäuser oder Rechenzentren. „Das Spektrum ist breit“, sagte er. Das bevorzugte Material auf der Werft sei Stahl, nicht Stein und Zement. Grüner, CO₂-freier Stahl sei im Kommen – „und die Umstellung bei Stahl dürfte leichter sein als bei Zement“, so Weigend.
Mit der Produkterweiterung reagiert die Meyer Werft auch auf die coronabedingt schwierige Lage im Kreuzfahrtschiffbau. Die Folgen der Pandemie stürzten den größten deutschen Schiffbaubetrieb in die schlimmste Krise seiner Geschichte. Die Werft an der Ems ist spezialisiert auf die Serienfertigung gigantischer Kreuzfahrtschiffe, nur brauchen die Reedereien derzeit kaum neue Schiffe. Kreuzfahrten kommen erst langsam wieder in Gang.
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Der Schiffbau werde das Kerngeschäft bleiben, und auch im Kreuzschifffahrtbau werde man mittelfristig wieder auf Erfolgskurs kommen, ist Weigend überzeugt. Aber ein neues Geschäftsfeld wie die Floating-Sparte könnte auf derzeit nicht genutzte Kapazitäten in den Meyer-Werften-Standorten in Papenburg, Rostock und Turku zurückgreifen. „Alle drei Standorte sind dafür geeignet“, so Senior-Chef Meyer. Für die ersten Aufträge sei man im Gespräch. Auf dem Weltmarkt gebe es kleine Projekte und auch Mega-Projekte, die von einem Volumen von 60 Millionen bis zu vier Milliarden Dollar reichen. (dpa/mp)