Dorf im Norden lehnt Flüchtlinge ab – Bürgermeister lenkt nach Kritik ein
Das kleine Lubmin im Kreis Vorpommern-Greifswald macht im Ukraine-Krieg bundesweite Schlagzeilen. Knapp 2000 Menschen leben in dem beschaulichen Seebad östlich von Greifswald. Weil die russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 durch den Ort laufen und es in der Nähe ein Atom-Zwischenlager gibt, wollte Bürgermeister Axel Vogt (parteilos) zunächst keine Geflüchteten aus der Ukraine aufnehmen. Jetzt ruderte der Politiker zurück.
Aus Gefahr vor möglichen Anschlägen könne Lubmin keine Geflüchteten aufnehmen, erklärte Axel Vogt am Dienstag. Das 2000-Einwohner-Seebad befinde sich in einer erhöhten Bedrohungslage. Im Ort befinden sich die Anlandestationen für die russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2, außerdem ist in der Gemeinde ein Atom-Zwischenlager angesiedelt – in direkter Nähe eines stillgelegten Kernkraftwerks. Zunächst hatte die „Ostsee-zeitung“ darüber berichtet.
Lubmin: Bürgermeister lehnt Aufnahme Geflüchteter zunächst ab
Es sei sogar untersagt, Geflüchtete in der Gemeinde aufzunehmen oder an Nachbargemeinden zu vermitteln. In den Tagen zuvor habe es bereits „erste konkrete Verdachtsmomente“ durch kleinere Straftaten gegeben, hieß es. Im Hafen seien „mehrere Sachbeschädigungen an Sicherheitsanlagen“, sagte Vogt am Mittwoch im Gespräch mit dem „Spiegel“. Den Geflüchteten warf der Politiker allerdings keine Sabotage vor: „Seit Tagen erleben wir eine starke antirussische Stimmung“, erklärte Vogt. Auch Vorwürfe, „Putin-Versteher“ zu sein, seien gefallen.
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Daher befürchtete Axel Vogt, dass sich „eine aufgeheizte Stimmung“ und eine Art „Katastrophentourismus“ hätte entwickeln können. Ihm gehe es auch darum, „die unkoordinierte Aufnahme von Flüchtlingen zu verhindern und stattdessen Wohnungen über das Land zu vermitteln.“ Die Dienstanweisung vom Dienstag, keine Geflüchteten aufzunehmen, habe wieder zurückgenommen. „Wir wollen Menschen in Not helfen und sehr gerne Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen.“
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Zudem sei es wichtig, „die Geflüchteten selbst bestmöglich vor Problemen zu schützen“, sagte Vogt. Lubmin wolle nicht nur Menschen aufnehmen, sondern habe auch schon eine Spendenaktion eingerichtet. Die gehäuften Anfragen zur Unterbringung, die die Dienstanweisung nach Aussage des Bürgermeisters erst erforderlich gemacht hatten, hätten mittlerweile schon wieder nachgelassen.
Beim Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns kam die Aktion nicht gut an. Einzelne Städte oder Gemeinden seien gar nicht dafür zuständig, die Unterbringung von Geflüchteten zu sichern, teilte eine Sprecherin der MOPO mit. Es sei Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte, die durch das Land Mecklenburg-Vorpommern zugewiesenen Personen aufzunehmen und unterzubringen. Ähnliche Vorgänge aus anderen Gemeinden oder Kreisen seien nicht bekannt.
Pegel: „Keine Informationen über akute Bedrohung“ in Lubmin
Das Land habe zudem bereits die Polizeipräsenz an sensiblen Anlagen und Einrichtungen, zu denen auch die Pipelines und das Atom-Zwischenlager in Lubmin gehören, verstärkt. „Bei allem Verständnis dafür, dass Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus sich Sorgen machen über mögliche Folgen des Kriegs in der Ukraine, möchte ich nochmals darauf verweisen, dass zurzeit keine Informationen über eine akute Bedrohung vorliegen, auch nicht für Lubmin“, sagte Innenminister Christian Pegel (SPD).
Pegel richtete weiter einen Appell an die Lubminerinnen und Lubminer, „den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine zu uns kommen und hier Schutz suchen, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu helfen“. Das sei „das Beste, was wir zur Zeit tun können.“