Erst verbockt, dann weggeduckt: Die Pannen-Präsidentin und ihr Impfchaos
Brüssel –
Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) läuft es bescheiden. Die EU hinkt beim Impfen hinterher, der Streit mit Hersteller AstraZeneca zehrt. Und dann ist da noch die Pannen-Kommunikation zu vermeintlichen Ausfuhrkontrollen an der irisch-nordirischen Grenze im ehemaligen Bürgerkriegsgebiet. Doch anstatt die eigenen Fehler bei der Wurzel zu packen, macht von der Leyen zunehmend eine schlechte Figur, leugnet und schiebt Untergebenen die Schuld in die Schuhe.
Finnlands Ex-Regierungschef Alexander Stubb machte seinem Ärger über den Kommunikationsstil der Präsidentin bei Twitter Luft – und das mit deutlichen Worten: „Regel Nummer eins für jede Führungskraft“, holte Stubb aus: „Wenn deine Organisation Mist baut, beschuldige niemals öffentlich dein Team.“ Dann ging es sprachlich sogar noch mehr ans Eingemachte: „Wenn die Kacke am Dampfen ist, dann nimmst du das auf dich.“ Doch was hatte den Konservativen derart auf die Palme gebracht?
Es ging um einen Verordnungsentwurf, der für Empörung in Irland und Großbritannien gesorgt hatte. Und an dem von der Leyen plötzlich nicht mehr Schuld sein wollte. Darin hatte die Kommission Ausfuhrkontrollen an der irisch-nordirischen Grenze zumindest angedeutet.
Schuld sollte dem Vizepräsidenten in die Schuhe geschoben werden
Montag hatte ein Kommissionssprecher, sicherlich mit Wissen der Chefin, öffentlich verkündet, dass Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis Schuld an dem Missverständnis der Ausfuhrkontrollen sei: „Diese Verordnung fällt unter die Verantwortung von Herrn Dombrovskis und seinem Kabinett und natürlich der Kommissionsdienste, die für ihn arbeiten.“
Grund für die Empörung: Ein vereinbartes Credo der Brexit-Verhandlungen war, dass es auf gar keinen Fall wieder eine harte Grenze auf der irischen Insel geben dürfe. Schließlich hatte bis 1998 drei Jahrzehnte ein bürgerkriegsähnlicher Konflikt in der Region zwischen Protestanten und Katholiken stattgefunden. Der Entwurf hatte aber genau nach einer solchen Grenze geklungen. Als Reaktion auf die Lieferkürzungen des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca sah dieser vor, dass der Konzern die Ausfuhr von Impfstoffen anmelden solle.
Briten und Iren waren sehr irritiert
Die EU ruderte zwar hektisch zurück, nahm Anfang der Woche Nordirland von den geplanten Export-Kontrollen für Corona-Impfstoffe aus. Dennoch waren sowohl Briten als auch Iren not amused: „Vertrauen wurde untergraben, Schaden angerichtet“, so der britische Staatsminister Michael Glove in einer Parlamentsrede. Der irische Außenminister Simon Coveney verlangte eine öffentliche Erklärung.
Am Sonntagabend hatte von der Leyen zudem im ZDF dem „Heute Journal“ ein Interview gegeben, das bei Kollegen in Brüssel und anderswo für Kopfschütteln sorgte. Als Moderator Claus Kleber sie zum schleppenden Impfstart der EU befragte, antwortete von der Leyen fast schulmeisterlich: „Dann wollen wir doch nochmal auf die Zahlen schauen.“ Und rechnete vor, dass schon 18 Millionen Impfdosen geliefert und 12 Millionen genutzt worden seien. Unbeirrt nannte sie das eine „stattliche Zahl“.
Worauf Kleber ihr wiederum vorrechnete, dass damit nicht einmal drei Prozent der EU-Bevölkerung geimpft seien. Im Gegensatz zu etwa neun Prozent in den USA oder 13 Prozent in Großbritannien. Ganz zu schweigen von den über 50 Prozent in Israel.
Neigt von der Leyen zur Schönfärberei und zum Anschwärzen von Untergebenen?
Schon zu ihren Zeiten als Bundesverteidigungsministerin war der Vorwurf laut geworden, dass von der Leyen zum Beschönigen neige. Und Untergebene anschwärze. Der langjährige CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok kommentierte denn auch: „Keiner hat Erfahrung mit Corona.“ Daher würden eben Fehler gemacht, für die die Präsidentin geradestehen solle. Anstatt „in alte Muster“ zu verfallen.
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Zumindest hinter den Kulissen soll von der Leyen sich indirekt entschuldigt haben. Bei einer virtuellen Sitzung mit den EU-Parlamentsfraktionen gab sie sich laut Teilnehmern zerknirscht: Über die Irland-Grenzkontrollen „hätten wir nicht einmal nachdenken sollen“. (km)