Ziemlich beste Freunde? Unsere neuen Energiepartner
Vom Regen in die Traufe? Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versucht derzeit, so schnell es geht, von russischem Gas, Öl und Kohle unabhängig zu werden. Unter anderem reiste er dafür nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Gerade Katar stand zuletzt meist im Kontext von Fußball-WM und Menschenrechtsverletzungen im Fokus. Aber: Deutschland braucht neue Energiepartner, anders wird es mittelfristig kaum gehen. Wer sind also die Staaten, die Russland künftig ersetzen sollen?
„Die bittere Nachricht ist: Wir brauchen noch russisches Gas“, sagte Habeck im „Bericht aus Berlin“ in der ARD, zumindest für den kommenden Winter. Die Rolle des grünen Klimaschutzministers ist zurzeit nicht leicht: Immer wieder muss er der Öffentlichkeit erklären, dass Dinge nicht so laufen, wie auch er sich das vielleicht wünschen würde. Zumindest nicht so schnell.
Seien es Waffenlieferungen an die Ukraine oder ein sofortiges Gas-Embargo: Habeck ringt momentan recht häufig um Worte vor laufender Kamera. Und zeigt meist, wie unzufrieden er dabei selbst ist. Die MOPO sprach mit VWL-Professor Grischa Perino von der Uni Hamburg über die Abnabelung von russischen Energieträgern. Von verschiedenen Faktoren hänge ab, wie schnell das vonstattengeht: „Erstens, wie schnell wir das russische Gas, Öl und Kohle durch andere Quellen ersetzen können.“ Habecks Plan sieht da kurzfristig andere Partner vor.
Katar als neuer Gas-Lieferant
Habeck auf dem Bittsteller-Sofa – die Scheichs rund um den Emir auf goldenen Sesseln. Der Wirtschaftsminister, wie er sich beim Händeschütteln tief verbeugt. Dazu ein gut gelaunter Habeck, als er den Erfolg mit dem neuen Partner Katar verkündet: Emir Tamim bin Hamad Al Thani will Flüssiggas liefern, Details noch unklar, man habe aber auch das Thema Menschenrechte zumindest angesprochen.
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Diese Szenen passten nicht so recht zusammen mit dem Bild, das zuletzt von Katar in der Öffentlichkeit vorherrschte: ein Land, in dem Menschenrechte wenig gelten, in dem Tausende Wanderarbeiter unter schlimmsten Bedingungen beim Bau von WM-Stadien starben. Aber, so Habeck: Es sei immer noch ein Unterschied, ob ein Staat undemokratisch sei und Menschenrechte missachte. Oder autoritär und einen brutalen Angriffskrieg führe. Neben der Energie-Partnerschaft habe man auch über die Zukunft der Erneuerbaren gesprochen, hieß es. Und wie mit den VAE über Wasserstoff.
Die Vereinigten Arabischen Emirate als Partner
Am Montag reiste Habeck nach dem Katar-Erfolg weiter in die VAE. Auch die werden immer wieder in Sachen Menschenrechte kritisiert. Gelten bei klimafreundlichen Technologien aber als besonders innovativ. Der Klimaschutzminister tütete eine Partnerschaft in Sachen Wasserstoff ein. „Investitionen in andere, insbesondere erneuerbare Technologien“ nennt auch Prof. Perino neben persönlichen Verhaltensänderungen als zweiten wichtigen Punkt einer Zukunftsstrategie ohne russische Energie. Allerdings müssten die vor allem hierzulande vorangetrieben werden.
Perino selbst bewertet im MOPO-Gespräch nicht, ob Katar oder die VAE gute Partner sind. Aber: „Politische Ausschlusskriterien“ seien natürlich entscheidend dafür, wie schnell die Unabhängigkeit vonstattengeht. Habeck verkündete gestern die Kooperation mit den VAE, bei der auch Hamburger Unternehmen involviert sind.
Norwegen liefert mehr Gas schon in diesem Sommer
Norwegen und andere europäische Partner wie die Niederlande sind politisch natürlich unbedenklich. Schon vor dem Ukrainekrieg war Norwegen der zweitwichtigste Gas-Partner der Deutschen. Etwa 30 Prozent unseres Bedarfs wurden bislang von den Skandinaviern gedeckt. Einige Tage vor seinem Nahost-Trip hatte Habeck bereits einen Deal mit Norwegen abgeschlossen: „Wir versuchen alles, um die Produktion zu erhöhen“, sagte Ministerpräsident Jonas Gahr Støre bei Habecks Besuch. Der hauptsächlich staatliche Betrieb Equinor werde im Sommer 1,4 Milliarden Kubikmeter zusätzlich in den Rest Europas pumpen.
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Neben Erdgas soll auch hier auf Flüssiggas (LNG) gesetzt werden. Sowohl bei Katar als auch bei Norwegen wird es dabei laut Prof. Perino vor allem auf die Infrastruktur ankommen: „Zu nennen wäre die beschränkte – und in Deutschland bisher nicht vorhandene – Kapazität von Terminals zur Anlandung von Flüssiggas.“ Im Kraftwerk Brunsbüttel wird derzeit mit Hochdruck an LNG-Terminals gearbeitet.
LNG-Flüssiggas aus den USA
Auch die USA werden immer wieder genannt, wenn es um Alternativen zu russischen Energieträgern geht. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur mittlerweile der größte Ölförderer der Welt, sondern auch die Nummer 2 beim Flüssiggas.
Aber: Die US-Preise liegen deutlich über denen Russlands. Und: Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten warnte zuletzt vor amerikanischem Erdgas, das per Fracking hergestellt werde, „unter extrem umweltschädlichen Bedingungen“. Habecks Plan sieht ohnehin vor, mittel- bis langfristig fossile Energien komplett zu ersetzen.