Wo sind sie hin? Das Rätsel um die ukrainischen Schüler in Hamburg
Die Schulferien in Hamburg sind vorbei – doch wo sind die ukrainischen Schüler? Eigentlich ging die Schulbehörde davon aus, dass ein Viertel aller inzwischen gut 10.000 registrierten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schulpflichtige Kinder und Jugendliche sind. Doch zum Schulstart nach den Märzferien war davon nicht viel zu sehen. Wo sind sie geblieben?
Nach zwei Wochen Märzferien sind Hamburgs Schülerinnen und Schüler am Montag wieder in den Unterricht gestartet – offensichtlich jedoch weitgehend ohne die erwarteten neuen Mitschüler aus der Ukraine. Mehrere angefragte Schulen erklärten am Montag, dass bei ihnen keine Kriegsflüchtlinge seien. Auch bei der Lehrerkammer und der Gewerkschaft GEW war nichts von neuen Schülerinnen und Schülern bekannt. „Wir haben nichts von der Behörde gehört“, sagte ein GEW-Sprecher. Auch die Schulen hätten bislang keine Informationen erhalten, wie sie mit Kriegsflüchtlingen umgehen sollten. Die Schulbehörde selbst legte keine Zahlen vor.
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Noch vergangene Woche hatte die Behörde erklärt, dass zum Schulstart am Montag 107 zusätzliche internationale Vorbereitungsklassen an 41 Standorten startklar sein sollten. Bei einer Regelbelegung von 15 Jungen und Mädchen wären dies 1605 Extra-Schulplätze. Insgesamt sollen den Angaben zufolge in den kommenden Wochen 300 zusätzliche Vorbereitungsklassen gebildet werden, so dass wieder so viele Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden können wie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015/16. Damals gab es an Hamburgs Schulen 525 internationale Vorbereitungsklassen und Basisklassen.
Ein Viertel der ukrainischen Kriegsflüchtlinge schulpflichtig
Die Schulbehörde geht nach eigenen Angaben davon aus, dass etwa ein Viertel aller registrierten Kriegsflüchtlinge Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter sind. Da nach Angaben der Innenbehörde Stand Sonntag etwa 10 500 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert sind, wären dies gut 2600 Jungen und Mädchen. Obwohl sie alle mit der Registrierung schulpflichtig sind, wie die Behörde vergangene Woche erklärt hatte, sind sie bislang offensichtlich nicht im Schulsystem angekommen.
Am Montag erklärte die Schulbehörde, dass sie zum Schulbeginn nach den Märzferien keine belastbaren Zahlen nennen könne. Es sei nicht zu erwarten, dass alle Menschen, die bereits in Hamburg angekommen seien, sich unmittelbar der Schulplatzsuche widmen würden. „Wir gehen davon aus, dass die Familien sich erstmal orientieren und sich etwa 14 Tage nach ihrer Ankunft melden werden.“ Erste Rückmeldungen von Schulen zeigten, dass sich dieser Eindruck bestätige.
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„Zudem wissen wir aktuell noch nicht, wie viele Anmeldungen schon direkt in Schulbüros entgegengenommen wurden, dies werden die Schulen nach und nach dem SIZ (Schulinformationszentrum) melden“, erklärte eine Behördensprecherin. Aktuell sei das nicht leistbar, „da die Schulen jetzt zum Schulbeginn auch Schnelltestungen für alle Schülerinnen und Schüler organisieren und zudem durch die kurzfristige Aufnahme oder die Vorbereitung der Aufnahme von zugewanderten – teils traumatisierten Schulkindern stark eingebunden sind“.
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Zur grundsätzlichen Kritik der ukrainischen Generalkonsulin in Hamburg, Iryna Tybinka, an den Vorbereitungsklassen äußerte sich die Schulbehörde nicht. Tybinka hatte vor der jüngsten Kultusministerkonferenz in Lübeck an die Ressortchefs appelliert, auf eine Kontinuität der Bildungsprozesse und ein Aufrechterhalten der nationalen Identität ukrainischer Kinder zu achten. Es gehe um einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland.
Home-Schooling mit ukrainischen Lehrkräften
So sagte die Generalkonsulin laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“, „dass die sogenannten Integrationsklassen für die ukrainischen Kinder eine Wand des Unverständnisses, das Gefühl der Minderwertigkeit und des geringen sozialen Schutzes bedeuten würden“. Sie seien auch gar nicht notwendig, weil ein temporärer Unterricht nach dem ukrainischen Bildungssystem unter Einbeziehung ukrainischer Lehrkräfte ab sofort möglich sei – und zwar mit Hilfe einer Online-Plattform für die Klassen 5 bis 11. (dpa/mp)