Zehn Jahre Stagnation: So lief es für neun Trainer und sieben Sportchefs bei St. Pauli
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Es wird ein Jubiläum, auf das sie getrost verzichten könnten beim FC St. Pauli. Im kommenden Sommer „feiert“ der Kiezklub runde zehn Jahre der Stagnation. Bestenfalls, denn aktuell droht bekanntlich gar der Sturz in die 3. Liga. Die Hoffnung, mit Trainer Timo Schultz und Sportchef Andreas Bornemann wieder in ruhige Fahrwasser zu steuern, scheint sich nicht zu erfüllen. Mal wieder. Denn die Liste derer, die es vor ihnen versucht haben seit dem Bundesliga-Abstieg 2011, ist lang, namhaft und zeigt: Es wurde viel versucht, funktioniert hat herzlich wenig. Die MOPO gibt einen Überblick.
TRAINER
André Schubert(Juli 2011 bis September 2012 bei St. Pauli)
Der Mann, der aus Paderborn kam, machte aus einem Erstliga-Absteiger gleich wieder einen Aufstiegskandidaten. Am Ende fehlten der Mannschaft um Max Kruse und Fin Bartels nur fünf Törchen zur Relegation.
Schubert indes mangelte es trotz der Erfolge massiv an Empathie und dadurch an Akzeptanz in Team und Umfeld. Nach knapp 15 Monaten und einem Fehlstart in die zweite Saison war Schluss.
Michael Frontzeck (Oktober 2012 bis November 2013 bei St. Pauli)
Folgte auf Übergangscoach Thomas Meggle. Als Typ der krasse Gegensatz zu Schubert, umgänglich, witzig, hohe Sympathiewerte. Sportlich betrachtet stand der Ex-Nationalspieler für Konstanz auf mittlerem Liga-Niveau und war der Gegenentwurf zur aufkommenden Generation der Laptop-Trainer.Nach einem Zoff mit dem damaligen Boss Stefan Orth musste er gehen.
Roland Vrabec (November 2013 bis September 2014 bei St. Pauli)
Der beförderte Frontzeck-Co war ein Typ mit Ecken, Kanten und klaren Vorstellungen, wie Dinge und auch Fußball aussehen sollten. Nach gutem Start verlor er am Ende der Saison 2013/14 den Zugriff auf die Mannschaft, die lange oben mitgemischt hatte und dann abstürzte. Als auch der Start in die neue Serie misslang und Vrabec sich mit zu vielen Menschen überworfen hatte, war Anfang September 2014 Feierabend.
Thomas Meggle (September bis Dezember 2014 bei St. Pauli)
In einem Dutzend Spielen gelangen unter dem Ex-Profi nur zwei Siege und drei Remis. Ein 0:1 gegen Darmstadt am Millerntor zum Ende der Hinrunde war Meggles letztes Spiel als Trainer, dafür durfte er sich fortan als Sportchef versuchen.
Ewald Lienen (Dezember 2014 bis Juli 2017 bei St. Pauli)
Er kam, um eine Art Seminar zu geben, und wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Trainer. Von Beginn an Identifikationsfigur hatte Lienen stets das Fan-Herz auf seiner Seite. Sportlich war der Klassenerhalt das höchste der Gefühle, wobei die Rückrunde 2016/17 legendär war. Trotzdem wurde danach ein Wechsel vorgenommen.
Olaf Janßen (Juli 2017 bis Dezember 2017 bei St. Pauli)
Lienens Co wurden nicht unerhebliche Teile der Rückrunden-Erfolge gutgeschrieben, Trainer wurde er aber nur, weil der Topkandidat kurzfristig absagte. Janßen, als Typ äußerst umgänglich, startete gut, der Absturz kam ebenso überraschend wie drastisch. Nach sieben Sieglos-Spielen und zwei Klatschen in Fürth (0:4) und Bielefeld (0:5) wurde die Reißleine gezogen.
Markus Kauczinski (Dezember 2017 bis April 2019 bei St. Pauli)
Kam nie wirklich auf dem Kiez und bei der Mannschaft an, obwohl er ob seines angenehmen Umgangs intern geschätzt wurde und zunächst den Klassenerhalt schaffte. Das Spiel in Ingolstadt am sechsten Spieltag der Folgesaison sollte eigentlich sein letztes sein, doch dann leitete ein Tor von Ryo Miyaichi eine beeindruckende Positiv-Serie ein. Am Ende stand sich Kauczinski selbst im Weg, weil er mit den plötzlich realistischen Aufstiegschancen plus Rückkehr von Alex Meier viel zu defensiv umging. Zwei 0:4-Klatschen (gegen den HSV, in Sandhausen) und eine Niederlage trotz Überzahl in Kiel besiegelten sein Schicksal.
Jos Luhukay (April 2019 bis Juli 2020 bei St. Pauli)
Brachte zunächst den ansehnlichen Fußball zurück. Begann dann aber zügig, mit der Streitaxt durch die Flure zu fegen, traf mit einigen Kritikpunkten auch den Nerv, mit seiner Art aber zerstörte er mehr, als dass er aufweckte. Die selbst gesteckten Aufstiegsziele blieben durchgehend Wunschtraum, stattdessen lag bei seinem Abgang so ziemlich alles in Trümmern. Sein Nachfolger Schultz ist Trainer Nummer neun seit 2011.
SPORTCHEFS
Helmut Schulte (März 2008 bis Mai 2012 bei St. Pauli)
Beim Anhang und in der Branche mit hohen Akzeptanzwerten, intern hatte er schon mit Holger Stanislawski keine gemeinsame Ebene gefunden. Die Umstände von seinem Aus sind bis heute das größte Rätsel der jüngeren Vereinsgeschichte: Am Tag, als die Medien geladen wurden, um André Schuberts Entlassung zu vermelden, flog am Ende Schulte, während Schubert bleiben durfte.
Rachid Azzouzi (Juli 2012 bis Dezember 2014 bei St. Pauli)
Holte unter anderem Marcel Halstenberg und Marc Rzatkowski, die später beim Weiterverkauf die Kassen des Klubs füllen sollten. In der Summe rückblickend mit passabler Transferbilanz, zudem als Mensch sehr angesehen. Weil es sportlich aber partout nicht laufen wollte, hing sein Wohl und Wehe an Ante Budimir. Der Kroate zündete bekanntlich nicht.
Thomas Meggle (Dezember 2014 bis November 2016 bei St. Pauli)
Ryo Miyaichi, Jeremy Dudziak, Lasse Sobiech, Waldemar Sobota – auch Meggles Bilanz liest sich nicht schlecht. Wegen seiner wenig diplomatischen Art entstanden allerdings zunehmend Baustellen, ob im Umgang mit Vereinsmitarbeitern, aktuellen oder Ex-Spielern. Zudem stürzte die Mannschaft in der ersten Saisonhälfte 2016/17 dramatisch ab. Die Kombination kostete ihn schließlich den Job.
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Andreas Rettig (November 2016 bis Oktober 2017)
Eigentlich als kaufmännischer Geschäftsleiter geholt, arbeitete Rettig ein knappes Jahr lang in Doppelfunktion und holte in der Zeit unter anderem Sami Allagui und Dimitrios Diamantakos. Sehr viel später kam Kritik wegen vermeintlich großer monetärer Umfänge einiger Kontrakte auf.
Uwe Stöver (Oktober 2017 bis April 2019 bei St. Pauli)
An seinen Aktivitäten auf dem Markt gab es wenig zu mosern. Henk Veerman, Mats Möller Daehli, Alex Meier – damit kann man mal hausieren gehen. Auch der prima Job, den er inzwischen bei Holstein Kiel macht, lässt kaum Fragen offen. Ihm wird zur Last gelegt, Verträge mit vermeintlich unverzichtbaren Leistungsträgern (z.B. Avevor, Ziereis) unnötigerweise teuer und zu lang verlängert zu haben. Offiziell hieß es, er habe gehen müssen, weil er sein Schicksal an den Verbleib von Trainer Markus Kauczinski geknüpft habe. Inoffiziell war man mit seiner Arbeit indes nicht zufrieden.
Andreas Rettig (April bis Juli 2019 bei St. Pauli)
Sein Abgang stand schon fest, als Rettig ein zweites Mal in die Bresche sprang. Seine letzten Entscheidungen haben bis heute Relevanz für St. Pauli. Er holte seinen alten Weggefährten Jos Luhukay und den eigenen Nachfolger Andreas Bornemann auf den Kiez – und damit Sportchef Nummer sieben seit 2011.