„Viel schrecklicher“ als Butscha: Weitere Kleinstadt nach Russen-Abzug voller Leichen
Die Bilder aus Butscha sorgten für Entsetzen: Nach dem Abzug russischer Truppen waren dort vergangenes Wochenende Dutzende Leichen entdeckt worden. Doch das könnte womöglich nur ein grausamer Vorgeschmack gewesen sein auf das, was in den kommenden Wochen ans Tageslicht kommt: Auch in Borodjanka, einem weiteren Vorort Kiews, sollen die Straßen voller Leichen sein, die Situation „noch schrecklicher“ als in Butscha.
Es klingt wie ein furchtbares Déjà-Vu: Nach dem Rückzug russischer Truppen aus der nordukrainischen Stadt Borodjanka sind dort nach ukrainischen Angaben dutzende Leichen in Wohngebieten entdeckt worden. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Situation vor Ort als verheerend.
„Viel schrecklicher“ als Butscha: Auch Borodjanka nach Russen-Abzug voller Leichen
Die Lage in der Stadt sei noch „viel schrecklicher“ als im vor wenigen Tagen von der ukrainischen Armee zurückeroberten Butscha, sagte Selenskyj am Donnerstag in einer Videobotschaft an seine Landsleute. „Es gibt dort noch mehr Opfer der russischen Besatzer.“
Selenskyj stellte in der Videobotschaft zudem die Frage, was passieren werde, wenn die Welt erfahre, was russische Einheiten in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol getan hätten. Dort sei auf „fast jeder Straße“ das, was die Welt nach dem Abzug der russischen Truppen in Butscha und anderen Städten in der Region Kiew gesehen habe. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Generalstaatsanwältin: Russische Soldaten kamen, um „zu töten, zu foltern und zu schlagen“
Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa hatte zuvor den Fund dutzender Leichen in Wohngebieten von Borodjanka gemeldet. „Allein aus den Trümmern von zwei Wohnblöcken wurden 26 Leichen geborgen“, erklärte sie im Onlinedienst Facebook. Wie viele weitere Tote in der nordwestlich von Kiew gelegenen Stadt noch gefunden werden, sei „unmöglich vorherzusagen“.
Wenediktowa warf Russland erneut Kriegsverbrechen vor. Beweise dafür „finden sich auf Schritt und Tritt“, erklärte sie. In Borodjanka gebe es keine militärischen Einrichtungen, „ihr einziges Ziel war die Zivilbevölkerung“.
Die Russen hätten Streubomben und schwere Mehrfach-Raketenwerfer-Systeme eingesetzt, fügte Wenediktowa hinzu. Sie beschuldigte die russischen Streitkräfte, Zivilisten „zu töten, zu foltern und zu schlagen“ sowie sexuelle Übergriffe zu begehen. Die ukrainischen Behörden würden in Borodjanka Beweise für Russlands Schuld für örtliche und internationale Gerichte sammeln.
In Borodjanka soll es die meisten Opfer in der Region Kiew geben
Am Donnerstag hatte der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj gesagt, Borodjanka sei eine der am stärksten zerstörten Städte in der Region Kiew. Angaben der ukrainische Generalstaatsanwaltschaft zufolge soll es in der Stadt die meisten Opfer in der Region Kiew geben. Bislang haben die Behörden aber noch keine Zahlen für diesen Ort genannt. Seit Mittwoch sucht der ukrainische Zivilschutz dort nach Überlebenden und Opfern. Zuvor sei die 35 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt gelegene Siedlung von Minen geräumt worden, hieß es.
Die Ukraine wirft der russischen Armee vor, hunderte unschuldige Zivilisten hingerichtet zu haben. Darüber hinaus sollen russische Soldaten Zivilisten gefoltert und vergewaltigt haben. Auch Menschenrechtsorganisationen sprechen von Vergewaltigung als einer „Kriegswaffe“ in der Ukraine.
Butscha wurde zum internationalen Symbol für die Schrecken des russischen Angriffskrieges
Die russische Armee hatte sich vor rund einer Woche aus dem Großraum Kiew zurückgezogen und stellt sich derzeit im Osten der Ukraine neu auf. In den nahe Kiew gelegenen Orten bot sich nach dem Abzug der russischen Truppen ein Bild der Verwüstung.
Zum internationalen Symbol für die Schrecken des Krieges wurde in den vergangenen Tagen die Kleinstadt Butscha. Die Bilder aus dem Vorort, wo nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte Leichen von Bewohnern auf den Straßen gefunden worden waren, hatten weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich. Moskau bestreitet das. (mik/afp/dpa)