Nach Impfpflicht-Aus und Isolations-Debakel: Tritt Lauterbach jetzt zurück?
Als eine „klare und bittere Niederlage“ bezeichnete Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Scheitern der Impfpflicht – und sieht nur noch wenig Chancen für einen neuen Anlauf. Stattdessen will er nun eine neue Impfkampagne starten, um der befürchteten Herbstwelle entgegen zu wirken. Doch die zweite große Pleite innerhalb kurzer Zeit kratzt immens an dem SPD-Politiker.
Bei einer Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler und Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) räumte Lauterbach gestern ein, dass das Scheitern der Impfpflicht ein „klares Ergebnis“ sei, mit dem man leben müsse.
Am Donnerstag gab es im Bundestag 296 Ja-Stimmen für die Impfpflicht ab 60 Jahren und die Beratungspflicht für alle Ungeimpften, 378 Abgeordnete waren dagegen. Nach einer langen Debatte, viel Uneinigkeit und fehlender Kompromissbereitschaft bei der Union, ist die Impfpflicht damit vom Tisch.
Karl Lauterbach: „Gehen nicht optimal vorbereitet in die Welle“
Dass sich bei dem Thema noch etwas rührt, glaubt Lauterbach nicht. Aufgrund der Niederlage in „dieser Größenordnung“, sei es unwahrscheinlich, „dass sich im Bundestag noch viel bewegen wird“, so der 59-Jährige, der gleichzeitig mahnte: „Im Herbst werden wir wohl ein drittes Mal nicht optimal vorbereitet in die dann zu erwartende Welle gehen.“
Stärkere Schutzmaßnahmen seien dann wieder nötig, mit den jetzigen Regeln des Infektionsschutzgesetzes werde man mit Sicherheit nicht über die Runden kommen. Angesichts der nun weiter bestehenden Impflücke könne man etwa nicht ohne eine Maskenpflicht in den Herbst hineingehen, konkretisierte er. „Das, was wir an Lockerungen machen konnten, haben wir verbraucht.“ Für weitere Schritte gebe es „keinen Spielraum.“
Intensivstationen in Deutschland „mehr als belastet“
Zwar gehen derzeit die Neuinfektionen deutlich zurück – Lauterbach sprach von einem „stabilen Rückgang der Fallzahlen“ – dennoch: Bei den schweren Krankheitsfällen und den Sterbefällen sehe es nicht so gut aus. Auch RKI-Chef Wieler sagte, dass es bedrückend sei, dass immer noch täglich 200 bis 300 Todesfälle verzeichnet würden. Eine bundesweite Überlastung der Intensivstationen gebe es derzeit nicht, berichtete Gernot Marx. Aber: Die Lage ist weit weg von entspannt, die Stationen „mehr als belastet“. Operationen müssten verschoben werden, das Personal sei am Limit.
In seiner Corona-Politik will Lauterbach nun – statt Impfpflicht – auf eine neue Impfkampagne setzen. Diese müsse sich dann gezielt an jene richten, die sich bisher nicht haben impfen lassen, aber im Prinzip bereit dazu seien, sagte er im Deutschlandfunk. Es sei bekannt, dass es insbesondere bei Menschen mit Migrationshintergrund eine solche Gruppe gebe. Da bereite man gerade etwas vor.
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Für Lauterbach ist die abgeschmetterte Impfpflicht, nach seiner Kehrtwende um die freiwillige Corona-Isolationspflicht, die zweite Pleite innerhalb kürzester Zeit. Wie der neue ARD-„Deutschlandtrend“ ergab, stürzten seine Zufriedenheitswerte auch deutlich ab: Er verlor neun Punkte auf 50 Prozent. Die NOZ schreibt bereits: „Karl Lauterbachs Glaubwürdigkeit liegt nach vier Monaten in Trümmern.“ Und auch der „Weser Kurier“ meint: „Seinen Vertrauensvorschuss hat Lauterbach in kürzester Zeit verspielt.“
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AfD-Fraktionschef Tino Chruppalla twitterte gar, Gesundheitsminister Lauterbach stehe nun vor der Wahl: „Rücktritt oder Entlassung.“ Doch das wird so schnell nicht passieren, wie Lauterbach selbst die Fragen nach einem Rücktritt im Deutschlandfunk verneinte. Und: Bereits vor der Impfpflicht sagt er bei „Markus Lanz“: Sollte die von ihm unterstützte Impfpflicht scheitern, denke er aber „natürlich nicht“ über einen Rücktritt nach.