Experten warnen: Wohnungsbau wird einbrechen – auch in Hamburg
Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sorgen für Materialmangel und einen rasanten Anstieg der Kosten. Der Wohnungsbau in Deutschland soll 2023 vor einem Einbruch stehen.
Die Kosten neuer Bauvorhaben werden unkalkulierbar – sowohl für die auftraggebenden Wohnungsunternehmen, als auch für viele Baufirmen und Handwerker. „86 Prozent der Wohnungsgenossenschaften und der sozial orientierten Wohnungsgesellschaften in Norddeutschland schätzen die Aussichten für den Neubau derzeit als schlecht ein“, sagt ein Sprecher des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. „60 Prozent wollen deshalb den Start von Neubauprojekten verschieben beziehungsweise sind noch unsicher.“
80 Prozent der Bauunternehmen beklagen Lieferengpässe
In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie klagten 90 Prozent der Unternehmen über Preissteigerungen, 80 Prozent über Lieferengpässe. Demnach geben Baustofflieferanten für viele Materialien derzeit nur noch tagesaktuelle oder gar keine Preise mehr an. „Es ist eine Situation, wie wir sie noch nie hatten“, sagt ein Sprecher des Landesverbands der bayerischen Bauinnungen. „Wir haben eine Riesen-Auftragswelle, und gleichzeitig fehlen die Rohstoffe. Wir haben alle acht Wochen massivste Preissteigerungen.“
Teilweise nicht verfügbar sind nach Angaben von Bau- und Wohnungsbranche Stahl und Stahllegierungen, das in vielen Baumaterialien eingesetzte Aluminium und Holz. Knapp sind demnach Dämmstoffe ebenso wie das für den Straßenbau wichtige Bitumen, es gibt Engpässe und massive Teuerung auch bei Fliesen und Keramik.
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Bauherren und Baufirmen vereinbaren in ihren Verträgen in der Regel vor Baubeginn Festpreise. Wenn die Materialkosten so schnell steigen wie derzeit, laufen die Bauunternehmen Gefahr, am Ende trotz voller Auslastung Verluste zu machen. Um roten Zahlen vorzubeugen, bewerben sich viele Firmen deswegen nicht mehr um neue Aufträge: „In der Konsequenz geben über 30 Prozent der Bauunternehmen keine neuen Angebote mehr ab“, heißt es beim Bauindustrie-Hauptverband. „Ich fürchte einen deutlichen Rückgang des Wohnungsneubaus in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein“, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. „Aufgrund der langen Vorlaufzeiten wird auf dem Bau noch in diesem und nächsten Jahr fertiggestellt und spätestens 2024/25 ist Schluss.“
Stahl, Aluminium und Holz sind knapp
Und im Süden: „Wir hatten im Jahr 2021 Rekordfertigstellungszahlen, wir werden im Jahr 2022 gute Fertigstellungszahlen haben, und wir werden einen Einbruch im Jahr 2023 erleben“, prophezeit Breitners bayerischer Amtskollege Maier. Das Problem betrifft nicht nur den Hoch-, sondern auch den Tiefbau – also neue Straßen, Tunnel und Eisenbahn. Bund und Länder versuchen, den Bauunternehmen mit Hilfe sogenannter Preisgleitklauseln entgegen zu kommen. Dies erlaubt es Baufirmen, Preise auch nach Vertragsabschluss nachträglich zu erhöhen. Damit werden Kostensteigerungen an die Bauherren weitergegeben.
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Besserung ist derzeit nicht in Sicht: „Die Gefahr einer Verknappung von Baustoffen besteht überall dort, wo die Länder Russland, Ukraine und Belarus in der Prozesskette mit vorkommen“, sagt eine Sprecherin des Münchner Mischkonzerns und Baustoffhändlers Baywa. Abgesehen vom Ukraine-Krieg kommen zusätzliche schlechte Nachrichten für die deutsche Baubranche aus Ostasien. Die drakonische Corona-Politik in China und der Lockdown in Shanghai könnten die internationalen Lieferketten nach Einschätzung von Ökonomen noch weiter in Unordnung bringen. (dpa/mp)