Militärputsch in Myanmar: Demos, Gewalt – und mindestens 50 Tote
Rangun –
Zehn Jahre lang haben die Menschen in Myanmar von der Freiheit gekostet – bis die Generäle sich Anfang Februar entschieden, die Demokratie mit Gewalt zu beenden. Inzwischen fließt in dem südostasiatischen Land täglich das Blut friedlicher Demonstranten. Die Welt schaut zu – auch die Bundesregierung tut wenig.
Die Verzweiflung bei den oft jungen Demonstranten ist so groß, dass sie auch zu sonderbaren Tricks greifen. Um Militär und schwer bewaffnete Polizei davon abzuhalten, ihre Barrikaden zu überrennen, hängen sie Röcke über ihre Absperrungen. Viele abergläubische Soldaten fürchten sich, darunter durchzugehen. Sie glauben, Frauenkleider könnten Männern ihre „mystische Macht“ rauben. Viel geholfen hat das bisher aber nicht: Überall werden die Demonstranten brutal niedergeknüppelt. Seit vorigem Sonntag sind zudem mindestens 50 Menschen erschossen worden. Die UN können mehrere Angriffe auf Sanitäter sowie die Erschießung eines Mannes nach seiner Festnahme dokumentieren.
Myanmar: Militär wird immer radikaler
Ursprünglich hatte Putschistenführer Min Aung Hlaing noch versucht, seinem Umsturz einen demokratischen Anstrich zu verpassen. Zwar setzte er die Wahlsiegerin und Freiheitsikone Aung San Suu Kyi ab und fest, versprach aber eine Rückkehr zur Demokratie, es gebe „nur einige Festnahmen“. Nun scheint sich die Militärjunta aber immer weiter zu radikalisieren. Offenbar haben die Militärs den Widerstandswillen in Zeiten von Social Media unterschätzt. „Die führenden Generäle haben ihre Karrieren in einer Zeit gestartet, als das Militär schon einmal herrschte“, erklärt der Analyst Richard Horsey im „Spiegel“. „Damals war auch eine Mehrheit gegen die Militärregierung, trotzdem haben sie sich durchgesetzt. Daher rührt ihr Selbstvertrauen.“
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Und tatsächlich hat sich die Junta bisher durch internationalen Druck nicht beeindrucken lassen. Die EU, Großbritannien und die USA haben bereits erste Sanktionen verhängt. Die Antwort aus der Hauptstadt Naypyidaw: „Wir sind an Sanktionen gewöhnt, und wir haben Sanktionen in der Vergangenheit überlebt.“
EU-Sanktionen gegen Militärjunta beeindrucken nicht
Im UN-Sicherheitsrat weiß die Junta die ständigen Mitglieder China und Russland an ihrer Seite. Diese lehnen „Einmischungen“ von außen grundsätzlich ab. Trotzdem verspüren die Generäle wohl gerade aus Peking einen gewissen Druck. Denn das Riesenreich hat eine Ölpipeline durch Myanmar gebaut und will deshalb auf Dauer vor allem stabile Verhältnisse. Da passen monatelange, kriegsähnliche Zustände nur bedingt ins Konzept. Eine direkte Einmischung Chinas steht aber wohl trotzdem erst einmal nicht zu erwarten.
Und die Bundesregierung? Außer der Berliner Unterstützung für die milden EU-Sanktionen ist bisher nicht viel passiert. Der Bundestag hatte sich am Donnerstag kurz mit der Situation befasst. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erklärte dort: „Protestierende kann man wegsperren, aber niemals ein ganzes Volk.“
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Ein Waffenembargo durch die EU oder Berlin gibt es bisher aber nicht. Ebensowenig personenbezogene Sanktionen gegen die Generäle, wie sie beispielsweise die USA verhängt haben. Da ist selbst Facebook inzwischen weiter: Sie haben alle persönlichen Accounts der Militärs gesperrt.