Darum hielten vor 50 Jahren Tausende die MOPO hoch
Es ist 50 Jahre her, dass mehr als 20.000 Hamburger auf der Moorweide vor dem Dammtor-Bahnhof standen und die MOPO schwenkten. Wir hatten damals eine Sonderausgabe gedruckt und kostenlos verteilt. Auf dem Titel stand: „Willy muß Kanzler bleiben !“ Anlass war das Misstrauensvotum gegen den SPD-Bundeskanzler am 27. April 1972.
Heutzutage erscheint so eine eindeutige Parteinahme extrem ungewöhnlich. Doch die MOPO wurde 1949 vom SPD-Mann Heinrich Braune gegründet und erschien bis 1980 beim SPD-eigenen Verlag „Auerdruck“ im Pressehaus am Speersort. Bis zum Verkauf an die Schweizer Verleger Greif 1980 kamen die Chefredakteure der MOPO auch oft von der SPD. So wurde beispielsweise Conrad Ahlers, der 1969 bis 72 Regierungssprecher der Regierung von Willy Brandt war, 1978 MOPO-Chefredakteur. Gleichzeitig behielt Ahlers bis zu seinem Tode 1980 auch sein SPD-Bundestagsmandat.
Hamburg 1972: MOPO-Protest gegen Misstrauensvotum
Aber zurück zum Misstrauensvotum 1972. Bundeskanzler Willy Brandt hatte 1971 für seine Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock den Friedensnobelpreis erhalten. Doch in Deutschland hatte Brandt viele Gegner. Die CDU warf ihm „den Ausverkauf deutscher Interessen“ vor. Auch innerhalb der Regierungskoalition aus SPD/FDP war Brandts Ostpolitik nicht unumstritten. Da die sozialliberale Regierung im Bundestag nur eine Mehrheit von zwölf Sitzen hatte und es zu Übertritten von Abgeordneten zur CDU gekommen war, sah CDU-Oppositionsführer Rainer Barzel seine Stunde gekommen, um den Kanzler zu stürzen.
Das führte bundesweit zu Protesten. In allen größeren Städten gingen Menschen auf die Straße, um für Willy Brandt und seine Ostpolitik zu demonstrieren.
Am Tag der Abstimmung im Bundestag fehlten Barzel und der CDU/CSU dann lediglich zwei Stimmen. Willy Brandt blieb Kanzler.
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Wie später herauskam, hatten sich zwei CDU/CSU-Abgeordnete enthalten. Dahinter steckte das Ministerium für Staatssicherheit. Die Stasi hatte die Abgeordneten Julius Steiner und Leo Wagner jeweils mit 50.000 Mark (25.000 Euro) bestochen. DDR und UdSSR hatten starkes Interesse daran, dass Brandt die Entspannungspolitik fortsetzt.