Im Theater: Wilder Ritt durch 150 Jahre Hafengeschichte(n)
Hamburgs Hafen bekommt eine persönliche Huldigung: Erik Schäffler, Autor, Regisseur und Schauspieler (bestens bekannt durch seine feurige Darstellung des Teufels im „Hamburger Jedermann“), erzählt im „Umschlagplatz der Träume“ die schicksalhafte Familiengeschichte einer (fiktiven) Reederin und verknüpft sie mit rund 150 Jahren Hafengeschichte. Donnerstag ist Premiere im Ernst-Deutsch-Theater.
MOPO: Haben Sie während des Schreibens den Hafen häufiger als sonst zur Inspiration besucht, auch nachts oder frühmorgens?
Erik Schäffler: (lacht) Ich wünschte, ich hätte! Dazu war ein Jahr lang keine Zeit. Ich freu mich auf alle Hafenbesuche nach der Premiere. Zum Glück kenne ich bereits viele versteckte Geschichten und vergessene Plätze. Den Zugang dazu verdanke ich dem langjährigen „Hamburger Jedermann“ von Michael Batz. Und die Realisierung des jetzigen Stücks Markus Linzmair: Er kennt meine Liebe zum Hafen und hat meine Idee auf solide Füße gestellt.
Die Story beginnt 1888 – mit der Einweihung der Speicherstadt
Warum beginnen Sie die Geschichte im Jahr 1888?
Der Ausbau des Sandtorhafens, direkt an der heutigen Elphi, war der erste moderne, künstlich gebaute Hafen, der mit der Einrichtung des zollfreien Hafens und der Einweihung der Speicherstadt 1888 seinen Höhepunkt fand. Unsere Geschichte endet mit Gründung der HafenCity, dem Zurückgeben des alten Hafenkerns an die Stadt. Das erzählen wir entlang der Person der fiktiven Reederin Charlotte.
Gibt es ein historisches Vorbild für die Figur?
Mehrere, auch männliche. Aber eine Frau als Reederin, die sich im traditionell männlichen Berufsfeld mit ungeheurer Verantwortung durchsetzt, erzählt auch ein Stück Emanzipationsgeschichte. Bekannte Hamburger Reederinnen des vergangenen Jahrhunderts waren Frau von Rantzau und Lucy Borchardt. Erst vergangenes Jahr wurde erstmals eine Frau Vorsitzende des Verbands Deutscher Reeder.
Hauptfigur des Theaterstücks ist eine Reederin
Wie und wo haben Sie recherchiert?
Ich habe zunächst Unmengen von Büchern gelesen, dann Interviews geführt mit Hamburger Hafengrößen und Reedern, mich von Hamburger Historikern wie Ortwin Pelc und Christian Lübcke inspirieren lassen sowie dem erfahrenen Hafenarzt Martin Dirksen-Fischer.
Kommen auch historische O-Töne vor?
Es werden viele Quellen zitiert. Die Abschiedsrede des von den Nazis 1933 geschassten Hafenförderers Max Warburg kommt wörtlich im Stück vor, so ergreifend ist sie. Sehr amüsant sind für mich die Zitate, wie manche Hamburger und Politiker selbst ihre Stadt beschreiben.
Sie sind Autor und Regisseur, und damit haben Sie Erfahrung – ist es nicht trotzdem manchmal so, dass der eine dem anderen ein Bein stellt?
Diese Mischung kann äußerst ungut werden, aber ich habe beste Erfahrungen damit. Ich inszeniere schon beim Schreiben. Das spart Zeit, und andererseits ist der Text nicht heilig: Das Ensemble kann noch vieles ändern, tut es auch mit Freude, und so zieht man von vornherein an einem Strick. Der Text wird teils bis zum letzten Tag und darüber hinaus verbessert.
Sie sind Wahlhamburger, welche Bedeutung hat der Hafen für Sie?
Hafen und Elbe sind das Herz dieser Stadt, offen und pulsierend. Für mich als Exilschwaben ist der Hafen der Schlüssel zu dieser einmaligen Stadt, und die Gemütsart der Hamburger entspricht meiner eigenen. So habe ich mein neues Zuhause gefunden. (PST)
Ernst-Deutsch-Theater: 5.-8.5. und 30.5.-4.6., je 19.30 Uhr, 24-44 Euro, Tel. 22 70 14 20