Der Traum ist aus! St. Pauli bricht ein – Dramatische Szenen bei Schalkes Party
Aus. Vorbei. Ende. Der Aufstiegskampf ist für den FC St. Pauli Geschichte. Was als Gala begonnen hatte, endete im braun-weißen Drama. In einem wahnsinnigen Schlagabtausch vor 62.000 Zuschauern in Gelsenkirchen mussten sich die ersatzgeschwächten Kiezkicker nach einem überragenden Start in die Partie und einer schnellen 2:0-Führung den Gastgebern letztlich mit 2:3 (2:0) beugen, die vorzeitig die Rückkehr in die Bundesliga perfekt machten. Für die Braun-Weißen heißt es: Endstation Sehnsucht.
Dem Schlusspfiff folgten ein blau-weißer Jubelorkan und ein Platzsturm von mehreren Tausend Fans. „Nie mehr Zweite Liga, nie mehr, nie mehr!“, sangen die Schalker Fans, während aus Hamburger Sicht die bittere Erkenntnis stand, dass St. Pauli ein weiteres Jahr im Unterhaus spielen wird.
Im Schalker Jubeltaumel kam es jedoch auch zu besorgniserregenden Szenen, denn einige Fans stürzten von den Tribünen in den Graben. Auf der Nordtribüne der Veltins-Arena drängten sich die Massen derart, dass es verletzte Personen gab und der Stadionsprecher immer wieder dazu aufrufen musste, nicht mehr von hinten Druck zu machen.
St. Paulis Profis bekommen von den beängstigenden Szenen nach Schlusspfiff nichts mit
Zu diesem Zeitpunkt waren die Kiezkicker schon in den Katakomben. Sie hatten alles gegeben, unter schwierigen Bedingungen lange Zeit verdammt viel richtig gemacht und den Favoriten und seine Fans einen mächtigen Schrecken eingejagt. Am Ende standen sie mit leeren Händen da. Es war das sechste Spiel in Serie ohne Sieg, der nötig gewesen wäre, um im Aufstiegsrennen zu bleiben.
Das könnte Sie auch interessieren: St. Pauli-Noten auf Schalke: Ein Profi bekommt eine Zwei – einer kriegt die Fünf!
Schon nach 35 Sekunden hatte Schalkes Top-Knipser Simon Terodde die Schalker Führung auf dem Fuß. Nach einem Fehler von St. Pauli-Verteidiger Marcel Beifus, der als letzter Mann einen hohen Ball nicht richtig stoppte, spritzte Terodde dazwischen, war plötzlich frei vor Torwart Dennis Smarsch. Doch St. Paulis Pokal-Keeper, der sein Liga-Debüt in dieser Saison gab, warf sich in den Schuss und parierte stark. In den folgenden Minuten spielte nur Schalke, machte mächtig Alarm. Ein Angriff nach dem anderen rollte auf den Strafraum der Braun-Weißen zu, die große Probleme hatten, Bülter (3.) und Churlinov (7.) hatten weitere Chancen.
Im Stile eines Top-Torjägers: Igor Matanovic schnürt den Doppelpack für St. Pauli
Das Tor aber machte St. Pauli! Die Kiezkicker kombinierten sich mit schnellen Pässen auf der linken Seite durch. Eine flache Hereingabe von Leart Paqarada, der die Kapitänsbinde trug, verlängerte Jackson Irvine am Fünfmeterraum mit der Hacke nach hinten. Dort schnappte sich Igor Matanovic die Kugel und schoss aus der Drehung flach direkt neben dem rechten Pfosten ein (9.). Ein großartig herausgespielter Treffer, der aus dem Nichts gekommen war. Für den 19-jährigen Matanovic war es Saisontreffer Nummer eins – doch dabei beließ er es nicht.
Mitten hinein in eine weitere königsblaue Drangperiode platzte die nächste braun-weiße Ekstase. Nachdem Schalkes Schlussmann Fraisl den Ball flach direkt in die Füße von Irvine spielte, schaltete der Australier blitzschnell, bediente Matanovic, der mit einer Körperdrehung und robusten Körpereinsatz seinen Gegenspieler stehen ließ, noch einen Haken schlug und erneut flach und platziert einschoss – 2:0 für St. Pauli (17.). Doppelpacker Matanovic – zwei Schüsse, zwei Tore in Manier eines abgezockten Mittelstürmers mit eingebauter Torgarantie. Anders gesagt: Der St. Pauli-Youngster machte den Terodde.
Itakura erzielt gegen St. Pauli den Anschlusstreffer, doch der wird vom VAR wieder einkassiert
Hatten die Schalker Fans ihre Mannschaft nach dem 0:1 noch umgehend und ohrenbetäubend aufgemuntert, während die Kiezkicker noch jubelten, war die Rückendeckung nach der zweiten kalten Dusche schon merklich leiser. Auf dem Rasen aber ging es unverändert hoch her. Schalke machte das Spiel und drängte wütend auf den Anschlusstreffer, der dann auch fiel und euphorisch bejubelt wurde – aber nicht zählte. Nach einer Ecke hatte sich Itakura den Ball zunächst an die eigene Hand geköpft, bevor er ihn aus kurzer Distanz in die Maschen spitzelte (23.). Der Videobeweis wurde bemüht und war eindeutig. Kein Tor.
Die Kiezkicker schienen in dieser ersten Halbzeit alle guten Geister auf ihrer Seite zu haben, die ihnen in den letzten Wochen die kalte Schulter gezeigt hatten. Das wurde überdeutlich, als Terodde aus wenigen Metern freistehend abzog, aber nicht das Tor, sondern Jakov Medic traf, der den Schuss auf der Linie blockte (33.). Leidenschaftlich verteidigte St. Pauli die 2:0-Führung in die Pause. Dem Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Fritz folgten deutlich vernehmbare Pfiffe des Publikums. Die Stimmung kippte. Es wurde nicht besser, als in den folgenden 15 Minuten auf dem Video-Würfel kurze Clips euphorischer Fans eingeblendet wurden, die – vor der Partie im Stadion aufgezeichnet – Fan-Lieder sangen, etwas von vorzeitigem Aufstieg riefen und Rückkehr in die Bundesliga beschworen. Die Reaktion auf den Rängen angesichts des Halbzeitstandes: bleiernes Schweigen.
24 Sekunden nach Wiederanpfiff verursacht St. Paulis Medic einen Foulelfmeter
Die Explosion der Emotionen erfolgte kurz nach Wiederanpfiff. Nachdem Medic Terodde nach einem hohen Ball der Schalker im Strafraum festgehalten hatte, zeigte Schiedsrichter Fritz auf den Elfmeterpunkt – sage und schreibe 24 Sekunden waren da gespielt. Der Gefoulte schnappte sich den Ball und verwandelte den Strafstoß eiskalt zum 1:2-Anschlusstreffer (47.). Schalke war wieder da – und das Publikum auch, das den Favoriten förmlich zum Ausgleich brüllen wollte. Das Unheil aus St. Pauli-Sicht bahnte sich an. Zunächst konnte Smarsch noch gegen Terodde parieren (58.) und auch der vermeintliche Ausgleich des starken Churlinov (68.) wurde wegen einer Abseitsstellung nicht anerkannt. Drei Minuten später war es dann aber soweit: Churlinov verlängerte einen hohen Ball auf Terodde, den Medic sträflich frei ließ, und der Zweitliga-Rekordschütze netzte eiskalt zum 2:2 ein (71.).
Um ein Haar hätte St. Pauli noch einmal zurückgeschlagen, doch der satte Schuss von Marcel Beifus war zu unplatziert und zielte direkt auf Schalke-Keeper Fraisl, der einfach nur goldrichtig stand, ansonsten aber chancenlos gewesen wäre (76.). Ganz bitter für die „Boys in Brown“.
In der Schlussphase fliegen St. Paulis Beifus und Matanovic noch vom Platz
Es wurde noch bitterer. Fast im Gegenzug nahm der eingewechselten Rodrigo Zalazar Maß und nagelte den Ball aus knapp 16 Metern an die Unterkante der Latte und von dort in die Maschen. 3:2 für Schalke. Ausgerechnet durch den Ex-Kiezkicker Zalazar. Dass Beifus noch die Rote Karte für ein grobes Foul sah (81.), auch Doppel-Knipser Igor Matanovic nach zwei überflüssigen Fouls mit der Ampelkarte bedacht wurde (90.+4), machte das Ende nur noch bitterer. Da auch Kyereh und Afeez Aremu ihre jeweils fünfte Gelbe Karte gesehen hatten, muss St. Pauli im nun bedeutungslosen Saisonfinale gegen Düsseldorf auf diese vier Spieler verzichten. Es wäre schlimmer, wenn es dann noch um alles ginge. Das ist leider nicht mehr der Fall.