Die Ukraine gewinnt den ESC – aber nur beim Publikum
Eigentlich war es schon klar, wer gewinnt. Doch am Ende ist es beim Eurovision Song Contest doch ein Herzschlag-Finale geworden: Die Ukraine siegt in Turin. Wird das Land nun den ESC 2023 ausrichten, wie es gewöhnlich das Recht des Gewinners ist?
Die Ukraine hat den Eurovision Song Contest 2022 gewonnen. Das Kalush Orchestra siegte in Turin mit dem Hiphop-Lied „Stefania“. Damit erfüllten sich Erwartungen vieler Beobachter, dass das Fernsehpublikum ein Zeichen der Solidarität inmitten des russischen Angriffskriegs setzen würde. Die Ukrainer erhielten in der Nacht zu Sonntag beim Zuschauer-Voting aus fast allen teilnehmenden Ländern die Höchstwertung 12 Punkte – der Mittelwert lag bei 11,3.
Viele Ukrainer feierten den ESC-Sieg begeistert. Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte im Nachrichtenkanal Telegram mit: „Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa!“ Er glaube daran, dass dies nicht der letzte Sieg sei.
Die Ukraine gewinnt den ESC – aber nur beim Publikum
Wäre es nach der Meinung von Experten aus der Musikbranche gegangen, wäre es anders verlaufen. Nach deren Votum hätten Großbritannien, Schweden und Spanien die Ukraine abgehängt. Doch nur die Hälfte der Punkte beim ESC kommt von Fachjurys. Am Ende war das Votum der TV-Zuschauer so einhellig wie vermutlich noch nie. In den allerletzten Momenten drehte sich das Ergebnis dadurch völlig. Die Ukrainer landeten mit 631 Punkten deutlich vor dem britischen Sänger Sam Ryder („Space Man“), der mit 466 Punkten einen respektablen zweiten Platz machte.
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Der Grand Prix war in diesem Jahr unter dem Eindruck des russischen Einmarsches in die Ukraine so politisch wie lange nicht mehr. Russland war wegen des Kriegs vom ESC ausgeschlossen worden.
Appell von Kalush Orchestra: „Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine“
Die ukrainischen Musiker forderten am Ende ihres viel umjubelten Auftritts die Weltgemeinschaft zur Unterstützung auf. Sänger Oleh Psjuk sagte auf der Bühne: „I ask all of you: Please help Ukraine, Mariupol, help Asov stal – right now“ (Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk).
Ob er nach seiner Rückkehr in den Krieg muss, wusste der Musiker nach eigenen Worten noch nicht. Am Montag feiert er seinen 28. Geburtstag – allerdings ohne seine Mutter Stefania, der er den gleichnamigen Gewinnersong beim diesjährigen ESC gewidmet hat. Nach dem Sieg sagte Psjuk: „Wir haben eine zeitweise Genehmigung, hier zu sein, und in zwei Tagen werden wir in der Ukraine sein. Es ist schwer zu sagen, was wir tun werden. Wie jeder Ukrainer sind wir bereit zu kämpfen und bis zum Ende zu gehen.“
Laut Regelwerk sind „Texte, Ansprachen und Gesten politischer Natur“ auf der ESC-Bühne explizit verboten. Die Veranstalter äußerten jedoch Verständnis. „Wir verstehen die starken Gefühle, wenn es dieser Tage um die Ukraine geht, und betrachten die Äußerungen des Kalush Orchestra und anderer Künstler zur Unterstützung des ukrainischen Volks eher als humanitäre Geste und weniger als politisch“, sagte ein Sprecher der Europäischen Rundfunkunion EBU auf dpa-Anfrage.
Kann die Ukraine den ESC 2023 auf heimischem Boden austragen?
Unklar ist, ob die Ukraine wirklich wird den ESC im nächsten Jahr austragen kann. Derzeit könnte die Ukraine keinen solchen Wettbewerb ausrichten, weil in dem Land Kriegsrecht herrscht. Damit sind keine Großveranstaltungen erlaubt; und es gelten etwa nächtliche Ausgangssperren. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.
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Selenskyj sagte ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass sein Land die größte Musikshow der Welt in seinem Land veranstalten wird. „Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den Eurovision! Zum dritten Mal in unserer Geschichte“, schrieb er auf Telegram. Sein Land hatte den ESC bereits in den Jahren 2004 und 2016 gewonnen. Das Kalush Orchestra holte bei nun am Samstagabend im italienischen Turin mit 631 Punkten erneut den ersten Platz – vor Großbritannien und Spanien.
ESC 2022: Deutschland wird erneut Letzter
Deutschland landete im Finale einmal mehr ganz hinten. Der 24-jährige Malik Harris aus Bayern bekam für seinen Song „Rockstars“ den letzten der 25 Plätze. Im vergangenen Jahr war Deutschland auf dem vorletzten Platz mit Jendrik und „I Don’t Feel Hate“ gelandet. Die Bundesrepublik hat den ESC bisher zweimal gewonnen: 1982 mit Nicole („Ein bisschen Frieden“) und 2010 mit Lena („Satellite“).
Harris freute sich trotz seines schlechten Abschneidens über den Sieg des Kalush Orchestra. „Ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass die Ukraine gewonnen hat, weil ich mir das so gewünscht habe“, sagte der 24-Jährige aus Bayern im Ersten. Über sein eigenes Ergebnis sagte er: „Ich weiß, dass man nicht allzu viele Punkte geholt hat am Ende, aber es war wirklich ein schöner Abend.“ (mik/dpa)