Dieser Mann will Hamburgs bedrohten Naturschatz retten
Mit 50 war Schluss. Holger Maciolek hatte keine Lust mehr. Tagein, tagaus dasselbe. Über Jahrzehnte hatte er im Vertrieb von Mercedes und MAN gearbeitet. „Ich wollte noch mal etwas machen, bei dem ich mich selber wiederfinde.“ So schmiss er seine berufliche Identität hin, machte sich selbstständig und gründete die Interessengemeinschaft Alte Süderelbe (IAS). Der Mann fand das, was er lange vermisst hatte: Eine Aufgabe, die ihn erfüllt. Heute ist er 66 und bewahrt mit seinen Mitstreitern die einzigartige Natur inmitten von Finkenwerders Industrie.
Die mehr als fünf Kilometer lange Alte Süderelbe ist nach der Alster der zweitgrößte See Hamburgs. Ein kleines Paradies. Hier sind Zander, Hechte, Fisch- und Seeadler, Kormorane, Eisvögel und andere geschützte Arten zu Hause. „In der Vielfalt dürfte das in Hamburg einmalig sein. Diese Idylle wollen wir erhalten“, sagt Holger.
Vor 16 Jahren gründete er gemeinsam mit seiner Frau die IAS. Ursprünglich, um Widerstand zu leisten. Der örtliche Naturschutzverein wollte den Kindern verbieten in der Alten Süderelbe zu baden. Die Anwohner sollten das Ufer nicht mehr betreten. „Sie wollten die Einzigen sein, die das Recht dazu haben. Das hat alle Anwohner empört.“ Die Initiative wurde gegründet, „um das Ufer zu verteidigen.“ Doch dadurch interessierten sich die Anwohner auf einmal sehr für die Natur vor ihrer Haustür. Aus dem Widerstand wurde ein Verein, der sich nicht gegen etwas wehrt, sondern für etwas einsetzt.
„Nur das, was man kennt, schützt man auch“
Holger ist an der Alten Süderelbe geboren, hat hier seine Jugend verbracht und seine beiden Töchter großgezogen. In einer für ihn einmaligen Umgebung. „Nur das, was man kennt, schützt man auch. Das ist unser Motto.“ Deshalb ist es ihm wichtig, Menschen die Natur zu zeigen. „Wir wollen allen die Möglichkeit geben, das hier zu erleben, zu berühren und zu verstehen. Dann werden sie die Natur automatisch schützen.“ Auch Behörden- und Industrievertreter lädt er gerne ein. Damit sie sehen und spüren, was er spürt.
Auf dem Grundstück der IAS, einer alten Obstwiese am Finkenwerder Süderdeich, werden Besucher empfangen. Häufig sind es Schulklassen. „Wir zeigen den Schülern wie biologischer Obstbau funktioniert. Viele Kinder bewegen sich bei uns das erste Mal völlig frei in der Natur.“ Zudem schippert Holger Interessierte (auch Rollstuhlfahrer) mit einem Elektro-Boot, das über Solar betrieben wird, über die Alte Süderlebe. Wie an diesem Tag. Äste ragen ins glitzernde Wasser. Es geht vorbei an Schwänen, auf einer angrenzenden Weide grasen Schafe. Doch die Idylle trügt. Zwar sind die Unternehmen vom Boot aus nicht zu sehen, aber nur wenige Hundert Meter entfernt ragen mächtige Industriegebäude in den Himmel. Airbus, die Hamburger Aluminiumwerke, die Stahlwerke und eine Schlicktrocknungsanlage liegen in direkter Nachbarschaft.
Hamburg: IAS sucht gemeinsame Lösungen
Es geht Holger und seinen Mitstreitern allerdings nicht darum, gegen die Konzerne zu kämpfen. „Wir wollen diesen Gegensatz verbinden. Indem man miteinander redet. Gemeinsam Lösungen findet.“ Viele der etwa 500 Mitglieder des Vereins arbeiten bei Airbus, im Hafen oder bei Behörden. Ein Feindbild gibt es nicht – obwohl die Interessen teilweise weit auseinandergehen. „Viele Probleme werden aber gar nicht groß, weil wir uns kennen und wissen, dass wir uns auf das Wort des anderen verlassen können.“
Ein Problem beschäftigt Holger jedoch massiv. Es gibt Pläne die Alte Süderelbe zu öffnen, um in der Norderelbe eine niedrigere Fließgeschwindigkeit zu erzeugen. „Durch den beruhigten Strom soll verhindert werden, dass der Schlick, der aus dem Hafen gebaggert und nach Schleswig-Holstein gebracht wird, wieder im Hafen landet.“ Das hätte zur Folge, dass die Alte Süderelbe zu einer „riesigen Schlickfalle“ würde. „Der Wasserspiegel würde um zwei Meter steigen.“
Alte Süderelbe: Es geht nicht nur um die Natur-Idylle
Was viele nicht wissen: Die Alte Süderelbe ist nicht nur ein idyllisches Stück Natur, sie hat auch eine große Bedeutung für etwa 70.000 Hamburger, die südlich der Elbe leben. Was zwischen Harburg und Neu Wulmstorf an Regen runterkommt, wird in die Alte Süderelbe geleitet – so dass kein Wasser in Kellern, auf Straßen oder in Parks steht. „Mit der Öffnung der Alten Süderelbe wäre die Entwässerung für die 70.000 Hamburger nicht mehr möglich. Das ist totaler Irrsinn“, sagt der sonst ruhig wirkende Mann wütend.
Er winkt ab und blickt stumm auf das Wasser. Holger wechselt das Thema und berichtet von seinem kleinen Handwerksbetrieb „Elbholz“. Den hat er erst im hohen Alter gegründet. „Da versuche ich das Thema Nachhaltigkeit zu leben.“ Holger produziert Schneidebretter. Aus alten Schuppen, Scheunen und Eichenstämmen. Zwar hat er nie einen Handwerksberuf erlernt, doch sein Großvater war Tischler. Als Kind durfte er schon in der Werkstatt mitarbeiten. Zudem half Holger sechs Monate in einer Tischlerei, nachdem er seinen Job hingeschmissen hatte. „Da habe ich mit 50 Jahren noch mal eine Art Lehre gemacht“, sagt er schmunzelnd. Eine mutige Entscheidung. Die ihn glücklich macht. Bis heute.
Neue Steganlage für die Alte Süderelbe
Die Haspa finanziert den Wunsch der Interessengemeinschaft
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. Die Interessengemeinschaft Alte Süderelbe wünscht sich eine neue Steganlage für das Elektro-Boot. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“.
„Die Alte Süderelbe ist ein echter Schatz der Natur, den noch viel mehr Menschen kennenlernen sollten. Die neue Steganlage ist dafür ein wichtiger Baustein“, findet Maximilian Leroux, Leiter der Haspa Finkenwerder, die die Initiative als Patenfiliale unterstützt. Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im Bessermacher-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet!