Böhmermanns Polizei-Experiment: Hamburg macht keine gute Figur – Senatorin reagiert
Er hat’s mal wieder getan: TV-Satiriker Jan Böhmermann enthüllte zuletzt die Maskengeschäfte von Fynn Kliemann, nun deckte er Missstände bei der Polizei auf. Die Recherchen legen erhebliche bundesweite Mängel bei der Verfolgung von Hass im Netz offen. Auch für die Hamburger Polizei ist das Ergebnis mau.
16 Bundesländer, 16 Korrespondenten, sieben ausgewählte, strafbare Hasskommentare (von Morddrohungen bis zum Hakenkreuz) aus dem Netz: Anfang August vergangenen Jahres startete das Team von „ZDF Magazin Royale“ um Jan Böhmermann ein deutschlandweites Experiment. Man wollte herausfinden: Wie gut ermittelt die Polizei bei Internetstraftaten und wie sehr unterscheiden sich dabei die verschiedenen Landespolizeien?
Internet als durchsetzungsfreier Raum
Das Ergebnis ist ernüchternd – leider aber keinesfalls überraschend. „Das Netz ist kein rechtsfreier Raum, unser Strafgesetzbuch gilt im Internet in gleicher Weise wie auch überall sonst in Deutschland. Das Internet ist aber oftmals ein recht durchsetzungsfreier Raum“, so Elisa Hoven, Strafrechtsprofessorin der Universität Leipzig in der Böhermann-Sendung.
Kostproben des Versagens finden sich bereits beim Stellen der Anzeigen: „Sie haben was im Internet gefunden? Vielleicht mal beim Verbraucherschutz nachfragen“, soll ein Polizist in einer Wache in Sachsen-Anhalt geantwortet haben. „Anzeige kann man nicht erstatten?“, hakte die Korrespondentin nach. „Nee, dann würden sie dahinten Schlange stehen irgendwo“, soll es darauf nur geheißen haben. Dabei ist die Strafverfolgung von Hassverbrechen Aufgabe der Polizei. In Bayern soll der Polizist mit „Mei, ist halt das Internet“ geantwortet haben. Er habe geraten, die Kommentare einfach der Plattform zu melden.
Anzeigen werden monatelang bearbeitet
Nachdem alle Anzeigen in den Bundesländern aufgegeben worden waren (außer in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo die Anzeige nicht aufgenommen wurde), passierte lange erst einmal nichts. In Bremen verschleppte ein Polizist das Aufnehmen der Anzeige mutmaßlich – gegen ihn wird jetzt ermittelt. Nach neun Monaten gab sich das Team der Show bei der Polizei zu erkennen und fragte nach dem Ermittlungsstand in den Bundesländern. Doch: In einigen Fällen hatte die Polizei gar nicht ermittelt, in anderen nur schleppend. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland wurde etwa das Verfahren gegen ein angezeigtes Hakenkreuz-Bild samt Heinrich-Himmler-Spruch eingestellt, „da der Täter nicht ermittelt werden konnte“. Das Peinliche: Die Polizei Baden-Württemberg hat ebendiesen Täter gefunden, die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben und ein Gericht ihn bereits verurteilt. In Hamburg dagegen hieß es gegenüber dem ZDF Magazin Royale, dass man noch ermittle.
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Sowieso: In Hamburg gab es zwar „nur” Probleme damit die Anzeige anonym aufzugeben. Dafür hat man hier offenbar noch keinen einzigen Täter ausfindig gemacht, sondern ermittelt seit nunmehr rund zehn Monaten. Grotesk vor dem Hintergrund, dass einige Straftaten bereits in anderen Bundesländern aufgeklärt wurden. Eine deutschlandweite Koordination oder ein Austausch zwischen den Polizeistellen funktioniert offenbar nicht. Böhmermann ließ es sich auch nicht nehmen, nochmal auf den Hamburger „Pimmelgate“ hinzuweisen: Damals gab es eine Hausdurchsuchung bei einem Twitter-User, der Innensenator Andy Grote (SPD) als „1 Pimmel“ bezeichnet hatte. Böhmermann: „Hamburgs Polizei wird Jahre brauchen, um sich von ihrem letzten großen Interneteinsatz zu erholen.“ Kurzfristige Nachfragen der MOPO bei der Polizei Hamburg konnten am Sonntag nicht beantwortet werden.
Justizsenatorin schlägt neues Meldeportal vor
Abhilfe schaffen könnte ein neues Meldeportal für Hass im Internet, das Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) auf den Weg bringen möchte. „Das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhermann hat wieder einmal gezeigt: Wir müssen besser werden bei der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz“, twitterte sie. Ihr Vorschlag: Ein staatliches, bundesweites Meldeportal für Hasskommentare im Netz. Damit soll laut Justizbehörde ein einfacherer Zugang für Bürger geschaffen werden als die bislang bestehenden Möglichkeiten zur Anzeige. „Hate Speech muss konsequent angezeigt werden, damit die Täter:innen zur Rechenschaft gezogen werden können“, so Gallina. Der Vorschlag soll bei der anstehenden Justizministerkonferenz besprochen werden.