Fabio de Masi: „Geldwäsche ist Kriminalität der Reichen und Mächtigen“
Geldwäsche ist seit Jahrzehnten ein großes und bekanntes Problem in Deutschland. Es reißt ein riesiges Loch in den Haushalt – Dunkelfeldstudien zufolge gehen dem Staat durch Geldwäsche jährlich über 100 Milliarden Euro verloren. So bezeichnet Fabio de Masi (Linke) die Bundesrepublik auch als „Gangster’s Paradise“.
De Masi ist der Experte, wenn es um organisierte Kriminalität geht: Immer wieder sitzt er in Untersuchungsausschüssen für die großen Finanzskandale unserer Zeit – wie zu den Panama Papers und Wirecard. Die MOPO wollte von ihm wissen, warum Geldwäsche in Deutschland noch immer floriert und trotzdem ein Thema ist, das ungern von der Politik angefasst wird.
Herr De Masi, Sie setzen sich für den Kampf gegen Geldwäsche durch organisierte Kriminalität ein – woran liegt es, dass Politik und Behörden bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinterherhinken und die dahinter liegenden Strukturen kaum zu durchschauen sind?
Fabio de Masi: Deutschland ist nach wie vor ein Geldwäsche-Paradies – insbesondere im Immobiliensektor. Es fehlt an Transparenz der Eigentümer von Briefkastenfirmen und an kriminalistisch geschulten Personal bei der Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls, sowie in den Bundesländern. Dort sind teilweise Standesbeamte für Geldwäschebekämpfung zuständig. Wir brauchen eine Art Geldwäsche-FBI.
Deutschland ist eines der wenigen Länder auf der Welt, in dem bei fast allen Geschäften bar gezahlt werden kann. Sind Sie für die Abschaffung von Bargeld, um so Transaktionen für Behörden besser nachvollziehbar zu machen?
Nein, denn Bargeld ist sicheres Geld, das von der EZB garantiert ist und keine Datenspuren hinterlässt. Der Staat oder Banken müssen nicht jeden kleinen Einkauf sehen. Aber es braucht Obergrenzen für Barzahlungen wie in Frankreich oder Italien. Dass man ein Haus mit Bargeld bezahlen kann, ist absurd.
Die Financial Intelligence Unit (FIU) ist für die Auswertung von Verdachtsmeldungen zuständig. Seit 2017 ist die FIU beim Zoll angesiedelt. Wie erfolgreich ist die Abteilung?
Die Ansiedlung der FIU beim Zoll war ein Flop. Die FIU soll für die Landeskriminalämter Verdachtsmeldungen filtern. Die müssen aber häufig alles neu machen, weil die Analysen schlecht sind. Zeitweise wurden Meldungen händisch durch Arbeitslose von Fax-Geräten übertragen. Meldungen zum Verdacht auf Terrorfinanzierung blieben liegen, bis das Geld nicht mehr eingefroren werden konnte.
Die Digitalisierung muss also auch noch in der Geldwäsche-Abteilung ankommen?
Ja, bei dem Geldwäscheprozess in Hamburg, der am Mittwoch losgeht, geht es um Geldwäsche in Millionenhöhe – mit Bargeld. Das ist nur aufgeflogen, weil die französische Polizei das „Gangster-WhatsApp“ EncroChat geknackt hat.
Was würde den Ermittlungsbehörden bei der Arbeit helfen?
Im Nichtfinanz-Sektor sind die Länder zuständig. Dort fehlt es an hinreichendem und qualifiziertem Personal. Bis heute fühlt sich keiner in Deutschland für die Geldwäscheaufsicht über die mittlerweile insolvente Wirecard AG zuständig. Die Finanzaufsicht BaFin sagt, wir sind nicht zuständig, da Wirecard ein Technikkonzern und keine Finanzholding sei. Bayern fiel nach der Pleite ein, sie seien auch nicht zuständig. Dieses Behörden-Tennis ist ein Fiasko.
Sollte dann nicht auch im Nicht-Finanzsektor die Geldwäschebekämpfung durch eine Bundesbehörde geregelt werden?
Es müsste eigentlich so etwas wie eine Finanzpolizei geben, wie in Italien. Natürlich muss nicht der Bund jedes Autohaus überwachen. Aber ab einer bestimmten Größe sollte es eine einheitliche Aufsicht geben. Und umgekehrt sollten auch die Landeskriminalämter bei der Erstbewertung von Verdachtsmeldungen mit einbezogen werden. Denn sie verfügen über polizeiliche Erkenntnisse. Es kann bei der Bekämpfung einer Bande zum Beispiel relevant sein, wer Beifahrer bei einem Verkehrsunfall war. Das kann die FIU beim Zoll nicht leisten.
Also sind die Hauptprobleme bei der FIU Struktur und Personal?
Ja, die Kriminalpolizei hat attraktivere Pensionsregelungen als die FIU. Die FIU gilt bei Kriminalisten als die Höchststrafe. Das muss sich ändern.
Bislang war es so, dass, um jemanden wegen Geldwäsche anzuklagen, der Staatsanwaltschaft eine rechtswidrige Vortat bekannt sein musste. Dabei musste es sich um eine Tat aus dem Vortatenkatalog des § 261 StGB handeln. Nun wird der Katalog abgeschafft – wie viel bringt das?
Geldwäsche dient ja nur der Verschleierung von Finanzflüssen aus einer Straftat. Die Abschaffung des Vortatenkatalogs war notwendig. Der All-Crimes Ansatz ist in anderen europäischen Ländern bereits Normalität. Das Problem ist, dass die Ermittler zwar sehen, dass Geld von A nach B fließt, aber oft gar nicht wissen aus welcher Straftat das Geld stammt. Daher brauchen wir mehr Transparenz bei den Eigentümern von Briefkastenfirmen. Dort wird der wahre Eigentümer nur eingetragen, wenn die Person mindestens 25 Prozent an einer Firma hält. Das heißt Rocco und vier Brüder reichen, um diese Schwelle zu umgehen. Außerdem ist unser Steuergeheimnis zu streng. Denn wer zum Beispiel Geld aus illegalen Waffenhandel wäscht, wird das nicht versteuern.
Wenn man sich mit der Geldwäschebekämpfung in Deutschland auseinandersetzt, bekommt man den Eindruck, dass sich ein Land wie Hamburg gar nicht groß darum bemüht, Geldwäsche stärker zu bekämpfen. Dabei gehen dem Staat durch Geldwäsche Auswertungen zufolge jährlich über 100 Milliarden Euro verloren. Trügt der Schein?
Ja, auch Hamburg braucht eine bessere Geldwäscheaufsicht im Immobiliensektor. Das lohnt sich auch finanziell für das Land. Beim Steuervollzug bringt ein Steuerprüfer im Jahr circa eine Million Euro mehr in die Staatskasse. Zwar argumentieren ja die Länder häufig, dass höhere Einnahmen durch mehr Personal in den Länderfinanzausgleich fließen und dann nicht genug in Hamburg bleibt. Wenn es aber um Strafverfahren geht, fließt das in den Justizetat und Hamburg kann die Einnahmen behalten. Auch so lohnt sich die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug. Das sehen wir ja am Fall der Warburg Bank und den Cum-Ex Geschäften.
Der Geldwäsche Paragraf wird immer wieder überarbeitet – durchschlagende Erfolge gibt es bislang nicht. Warum fehlt der politische Wille, Gesetze zu verabschieden und Strukturen zu schaffen, die die Bekämpfung der Geldwäsche effektiver machen würden?
Geldwäsche ist die Kriminalität der Reichen und Mächtigen. Die sind froh, wenn das so weiter läuft. Es gibt keine Bilder von Opfern von Geldwäsche. Die Menschen spüren das nicht unmittelbar im Portemonnaie und daher macht sich auch kein Politiker beliebt, die oder der sich dieser Mega-Baustelle widmet. Olaf Scholz hat sich zum Beispiel nicht wirklich für das Chaos bei der FIU interessiert, bis ich ihn mit meinen Anfragen dazu extrem genervt habe.