In den USA ist der Zugang zu Waffen leicht: ein Mann an einer Vitrine in einem Waffengeschäft
  • In den USA ist der Zugang zu Waffen leicht: ein Mann an einer Vitrine in einem Waffengeschäft
  • Foto: Imago / Zuma Wire

Unklare US-Verfassung: Gibt es das Recht auf Waffenbesitz überhaupt?

„Wie viel mehr Blutvergießen sind wir bereit zu akzeptieren?“, fragte Joe Biden am Donnerstag bei einer emotionalen Ansprache im Weißen Haus – und forderte eine Verschärfung der Waffengesetze und ein Verbot von Sturmgewehren. Jedoch: Die Republikaner blockieren seit Jahren jede Verschärfung der Regelungen. Sie und die mächtige US-Waffenlobby begründen das Recht auf Waffenbesitz meist mit einem Verfassungszusatzes des Grundgesetzes – doch dessen Interpretation ist nicht eindeutig.

„Skrupellos“ nannte Biden die Blockade-Haltung der Republikaner. Eine Hürde, die seit Ewigkeiten nicht genommen wird und Amerika zum weltweiten Spitzenreiter bei Waffengewalt und Waffenbesitz macht. Vor den Kongresswahlen im November rief Biden in seiner Rede die Amerikaner weiter dazu auf, „dieses Thema in den Mittelpunkt Ihrer Wahlentscheidung zu stellen“. „Es ist Zeit zu handeln. Für die Kinder, die wir verloren haben, für die Kinder, die wir retten können, für die Nation, die wir lieben“, so der US-Präsident.

Biden hält emotionale Anti-Waffen-Rede

Sollte ein Verbot von Sturmgewehren im Kongress nicht durchsetzbar sein, solle das Mindestalter für den Kauf dieser Waffen von 18 auf 21 Jahre angehoben werden. Darüber hinaus forderte Biden , den Verkauf von Magazinen mit hoher Kapazität zu untersagen, Waffenkäufer genauer zu überprüfen und Waffenhersteller in Haftung nehmen zu können.

Viele Republikaner sperren sich seit Jahren gegen strengere Regularien wie etwa ein Verbot von Sturmgewehren. Neben den Konservativen ist vor allem kein Vorbeikommen an der NRA – der mächtigsten Waffenorganisation der USA. Ihr wohl stärkstes Argument: Jeder US-Bürger hat ein Grundrecht auf Waffenbesitz. Festgehalten im sogenannten „Second Amendment“, dem zweiten Zusatz der US-Verfassung aus dem Jahr 1791.

Aber leitet sich das Recht auf individuellen Waffenbesitz tatsächlich aus dem Zusatzartikel ab? Dazu befand der inzwischen verstorbene konservative Richter Antonin Scalia 2008: Ja. Aber: Vier der neun obersten Richter stimmten mit Nein. Anlass war die Klage eines Mannes aus Washington D.C., der gegen ein Verbotsgesetz im District of Columbia klagte. Das Gesetz würde gegen das „Second Amendment“ verstoßen.

Uneindeutige Deutung des „Second Amendment“

Warum es nicht so einfach ist mit dem Zusatzartikel, ist vor allem mit linguistischen Unklarheiten zu begründen. Der entscheidende Satz stammt immerhin von 1791. So heißt es im Originaltext: „A well regulated Militia, being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms, shall not be infringed.“ Die deutsche US-amerikanische Botschaft übersetzt dies so: „Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.“

Vor allem die Kommata machen es schwierig, sich auf eine genaue Deutung festzulegen. Hauptfrage: Darf also jeder US-Bürger jederzeit Waffen tragen – damit gewährleistet ist, dass der Staat in einem militärischen Zusammenhang schnell eine Miliz aufstellen kann? Und lässt sich aus dem zweiten Satzteil sogar ableiten, dass Waffen auch unabhängig von der Frage nach dem militärischen Zusammenhang getragen werden dürfen? Und: Was bedeutet in die heutige Zeit übersetzt eigentlich „Miliz“?

Richter am Supreme Court zu Waffenrecht: „Betrügerisch“

In den vergangenen Jahren häuften sich die Belege dafür, dass die Verfassung nicht so eindeutig wie von der Waffenlobby und den Konservativen behauptet, den Waffenbesitz aller Bürger legitimiert. Bereits 1986 wies Warren E. Burger, bis 1986 selbst der Oberste Richter am Supreme Court, die Vorstellung, es gebe ein durch die Verfassung garantiertes Recht auf Waffenbesitz als „betrügerisch“ zurück.

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In den Sechziger Jahren war zudem uneingeschränkter Waffenbesitz für alle Bürger nicht denkbar. Der damalige Gouverneur von Kalifornien und spätere US-Präsident Ronald Reagan erließ strengere Regeln – weil auch Aktivisten der schwarzen „Black Panther“-Bürgerrechtsbewegung sich bewaffneten. 1967 erließ Reagan den „Mulford Act“ in Kalifornien, der das Tragen von geladenen Waffen in der Öffentlichkeit in Kalifornien verbat. (alp)

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