Auf Sylt geht der Punk ab – und das passt nicht jedem
Zerrissene Shirts statt Steppjacke. Dosenbier statt Champagner. Auf Sylt geht der Punk ab! Das 9-Euro-Ticket lockt viele Partywütige auf die – zumindest vom Image her – Insel der Reichen und Schönen. Am Pfingstsonntag feierten Punks, Junggesellenabschieds-Gruppen und Jugendliche schon mittags am Strand in Westerland – Gegröle und laute Musik inklusive. Die MOPO hat sich unter Party-Touristen und Einheimischen in Westerland umgehört.
Michael Reimers (54), Kfz-Mechaniker aus Itzehoe: „Wir sind heute Morgen mit dem 9-Euro-Ticket hergekommen und feiern hier den Junggessellenabschied von unserem Kumpel. Im Zug haben wir schon zwei Bier getrunken und auf der Insel gleich noch zwei hinterher. Und wir haben noch einen Pernod dabei. Was der Bräutigam noch nicht weiß: Seine Verlobte kommt mit ihrem Junggesellinnenabschied später auch nach Sylt. Dann gehen wir alle zusammen noch was essen und heute Abend geht’s wieder zurück. Welches Hotel würde uns denn auch schon aufnehmen?“
Felice Adams (20) und Max Reh (25) aus Trier: „Wir sind über elf Stunden mit der Bahn unterwegs gewesen. Von Trier nach Köln, nach Hamburg und von dort nach Sylt. Freitagmittag ging es los, Pfingstmontag fahren wir zurück. Und ja, das lohnt sich. Manchmal ist die Reise das Ziel. Schon im Zug hatten wir unsere Musik an und haben mitgesungen. Vier Liter Korn mit Eistee pro Person und drei Paletten Apfelwein haben wir dabei, das haben wir alles in unseren Rücksäcken transportiert. Wir sind seit dem Start durchgehend am Trinken, haben von Freitag auf Samstag gar nicht geschlafen.“
Pfingsten auf Sylt: Punks feiern in Westerland
Flippi (33), Koko (48) und Lara (21): „Wir machen hier Urlaub, mehr nicht. Und treffen Leute, die wir seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir sind zum Teil aus dem Ruhrpott angereist. Randale gibt es nur, wenn wir vertrieben werden. Am ersten Tag haben wir uns 120 Euro erschnorrt, davon haben wir erst mal drei Tage auf einem Campingplatz geschlafen. Gestern haben wir am Strand übernachtet, aber da wurden wir heute Morgen um halb acht vertrieben, weil wir keine Kurkarte hatten. Wir haben unseren Campingkocher dabei, gestern gab es vegane Bratkartoffeln, heute machen wir uns Nudeln mit Paprika und Zwiebeln. Wir schnorren, gehen dann bei Rewe einkaufen.“
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Maria Prenzlow (25), Verkäuferin am Strand-Kiosk: „Die Jugendlichen am Strand machen ja nur Party und sind dabei friedlich, das ist okay. Aber gestern Abend ist es am Brunnen bei der Wilhelmine eskaliert. Da haben Punks alles vollgekotzt und sich gekloppt. Die wurden dann wohl auch von der Polizei der Insel verwiesen und mussten abreisen. Schlimmer geht es ja kaum mehr. Als Pendlerin mache ich mir Sorgen, was den Sommer angeht. Wenn es dann durch das 9-Euro-Ticket noch voller wird, kriegt man bestimmt keinen Platz mehr im Zug.“
9-Euro-Ticket: Touristen-Ansturm auf Sylt
Kerstin Müller (58), Verkäuferin in der „Sylter Schokomanufaktur“: „Hier sind alle Gäste willkommen, egal ob Millionär oder Punk. Wir leben ja von dem Geld der Menschen. Wir haben bisher noch keine schechten Erfahrungen gemacht. Ich pendel aber seit 31 Jahren zwischen Niebüll und Westerland und habe große Sorge, dass die Züge zu voll werden und ich nicht mehr mit reinkomme. Wenn ich nach Feierabend einen Zug später nehmen muss, wird es dann nach einem langen Arbeitstag wahnsinnig spät. Und in übervollen Zügen kann man auch nicht mehr genug Corona-Abstand halten. Ich habe eine 80-jährige Mutter zu Hause, die ich doch mitschützen muss.“
Celina Adamowicz (20), Krankenschwester aus Sylt: „In einem bestimmten Maße ist es super, wenn die Leute das 9-Euro-Ticket auf Sylt genießen. Aber alles kaputt zu machen geht überhaupt nicht. Ich habe schon Porsche gesehen, die mit Edding beschmiert wurden. Gestern war ich bei „McDonald’s“, da war der ganze Boden überschwemmt, weil jemand das Klo ruiniert oder verstopft hatte. Bei der Wilhelmine sollen die Punks hingekotet, sich dort die Haare rasiert und im Brunnen gebadet haben. Sie sollen ja alle ihren Spaß haben, aber sowas geht einfach nicht.“