9-Euro-Ticket-Frust: Ich wollte doch einfach nur nach Hause!
Sonntag, 20 Uhr. Ich mache mich auf den Weg zum Hauptbahnhof, um zu meiner Familie nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren. Obwohl ich den ganzen Tag über schon von Gedränge an den Bahnhöfen und vollen Zügen gehört hatte, habe ich mich für eine Regionalbahn entschieden. Wird schon nicht so schlimm werden, denke ich, ist ja schon spät. Was mich erwartet, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.
Schon in der S-Bahn bekomme ich die Nachricht: 30 Minuten Verspätung beim RE1 nach Rostock. Na toll, denke ich, also schaffe ich meinen Anschlusszug nicht.
Aus den 30 Minuten werden 50. Dann 90. Ich sitze auf dem Boden des überfüllten Bahnsteigs und lausche den Durchsagen an den verschiedenen Gleisen: Dieser RE hat 20 Minuten Verspätung, jener 90. Die nächste Bahn muss heute leider ausfallen. So geht es im Minutentakt.
Zu voll: Regionalbahn wird von der Polizei geräumt
Die Dame am Info-Stand ist resigniert. Der RE sei so voll, dass er auf der Strecke mehrmals von der Polizei geräumt werden musste. „Sowas passiert in den vergangenen Tagen immer wieder“, sagt die Mitarbeiterin. „Aber gut, dass Sie heute fahren. Für Pfingstmontag erwarten wir ein Chaos, das wir lange nicht gesehen haben.“
Schuld sei das 9-Euro-Ticket. Die Menschen würden mit dem RE1 nach Schwerin fahren, um dort in den Zug nach Berlin zu steigen. Die Bahn sei den Massen nicht gewachsen.
Schließlich fährt mein Zug ein. Als ich die Menschenmengen sehe, entscheide ich, auf den ICE umzusteigen. Meinen Anschlusszug schaffe ich sowieso nicht mehr. Der RE1 kann kaum losfahren, weil die Eingänge verstopft sind.
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Im ICE wird es besser, hoffe ich. Falsch gedacht: Nur mit Mühe und Not schaffen es alle Passagiere, sich in den Zug zu zwängen. Am Bahnsteig läuft eine verzweifelte Mitarbeiterin auf und ab, ruft: „Das 9-Euro-Ticket gilt in diesem Zug nicht!“ Das hält die Fahrgäste nicht ab. Sie haben wohl auch keine Alternative. Ich ergattere einen Platz auf dem Boden neben einer Abteiltür. Besser als auf dem Gang neben dem Klo, wo die meisten Leute stehen. Immer wieder weist ein Zugbegleiter die Fahrgäste darauf hin, dass sie sich ein gültiges Ticket nachlösen sollen, wenn sie mit dem 9-Euro-Ticket hier eingestiegen sind.
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Ich habe das bereits gemacht. Ich habe doppelt so viel bezahlt und bin erst um 23 Uhr bei meiner Familie. Ob solche Zustände die Leute motivieren, dauerhaft auf die Bahn umzusteigen?