Kos, Rhodos, Lesbos: Kriegsgefahr im Urlaubsparadies
Markige Aussagen ist man vom türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan durchaus gewöhnt. Doch seine jüngsten Aussagen haben eine andere Qualität, als wenn er den Deutschen Nazi-Methoden unterstellt oder Frankreichs Präsidenten rät, seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen: Jetzt droht er dem Nachbarn und Nato-Partner Griechenland offen mit Krieg.
Anlass ist ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt um Inseln in der Ägäis. Nach türkischer Darstellung hat Griechenland nun auf mehreren Inseln verbotenerweise militärisches Gerät stationiert. Ankara erhebt seit neuestem unter anderem auf die griechischen Inseln Rhodos, Kos, Patmos und Lesbos Anspruch.
Erdogan droht Griechen: „Ich spaße nicht!“
Bei einem Militärmanöver vor der Küste der griechischen Insel Samos, bei dem passenderweise die Einnahme eines Küstenabschnitts geübt wurde, drohte Erdogan unverhohlen: „Die Griechen sollen sich keinen Träumen hingeben, die sie bedauern werden. Das könnte katastrophale Folgen haben.“ Er schob hinterher: „Reißt euch zusammen, ich spaße nicht!“
Tatsächlich hat der Konflikt mit Spaß nichts zu tun. Seit Wochen dringen türkische Flugzeuge immer wieder in griechischen Luftraum ein, was zu griechischen Abfangmanövern führt. Mitunter donnern Jets auch im Tiefflug über bewohnte Gebiete. Was die Lage besonders gefährlich macht: Gesprächskanäle zwischen Athen und Ankara existieren praktisch nicht mehr. Vor einiger Zeit hatte Erdogan den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis als „Lügner“ genannt und erklärt, er werde nie wieder mit ihm reden. Ankara kappte alle offiziellen Kanäle.
Griechen verweisen auf ihr Recht auf Selbstverteidigung
Mitsotakis versucht, sich nicht durch Erdogan provozieren zu lassen. Sein Motto sei „Nüchternheit, Gelassenheit, Entschlossenheit“, sagte ein Sprecher. Griechenland lasse sich nicht in Panik versetzen, „aber wir müssen auf alles vorbereitet sein“. Die Regierung in Athen verweist in dem Konflikt auf das in der UN-Charta festgeschriebene Recht eines jeden Staates zur Selbstverteidigung. Dies sei in Anbetracht des türkischen Verhaltens dringlicher denn je.
In Athen verweist man auch auf die innenpolitische Lage Erdogans. Die Inflation in der Türkei liegt bei über 70 Prozent, viele Türken haben Probleme bei der Nahrungsversorgung. Erdogan hat kürzlich seine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt angekündigt. Die Wahl findet in einem Jahr statt. Erstmals muss der alternde Islamist im Präsidentenamt befürchten, dass ihm die Zügel entgleiten. Da könnte ein äußerer Feind durchaus willkommen sein.
1996 wäre es fast zum Krieg in der Ägäis gekommen
Ein direkter türkischer Angriff in der Sommersaison scheint trotzdem eher unwahrscheinlich. Beobachter rechnen aber damit, dass Erdogan als nächstes Gas-Bohrschiffe, eskortiert von Fregatten, in die Gewässer von Rhodos oder Kreta schicken könnte. Das wäre nach internationalem Seerecht zwar verboten, aber das erkennt die Türkei in diesem Fall nicht an.
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Dass die Lage schnell eskalieren kann, zeigte sich zuletzt 1996. Damals stritten die beiden Länder um die Felseninsel Imia. Beide Kriegsflotten lagen sich kampfbereit gegenüber. Kampfhubschrauber kreisten in dem Gebiet. Es kostete den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton eine durchtelefonierte Nacht und zahlreiche Versprechen, um den Ausbruch des Kriegs zu knapp zu verhindern.