Wichtiges Denkmal in Hamburgs City: Woran diese Blutspur erinnern soll
Sie haben die Granitplatten des Bürgersteigs auf 200 Quadratmetern aufgebrochen, aufgesägt, aufgeschlagen und die Fehlstellen mit weichem Gummigranulat aufgefüllt. In Rot. Das Kunstwerk soll erinnern an Terror, Misshandlung und Mord. Es symbolisiert das Blut der Opfer des Nationalsozialismus in dieser Stadt.
Das Künstlerinnenduo Andrea Knobloch und Ute Vorkoper – sie nennen sich „Missing Icons” – haben nach monatelanger Arbeit ihr Werk nun vollendet. Zu finden ist die großflächige Bodenskulptur, die den Titel „Stigma” trägt, vor dem Stadthaus in der City. Es erstreckt sich von der Ecke Stadthausbrücke/Neuer Wall entlang des ehemaligen Hauptsitzes der Gestapo bis zur Brücke über das Bleichenfleet.
Kunstwerk in Hamburg erinnert an Nazi-Verbrechen
Dass es sich an dieser Stelle befindet, hat einen Grund: Denn in dem inzwischen luxussanierten Gebäude befand sich bis zur Zerstörung 1943 die Zentrale des Nazi-Terrors. Hier waren das Polizeipräsidium sowie die norddeutschen Leitstellen von Kriminalpolizei und Gestapo untergebracht. „Weithin sichtbar und spürbar”, so Kultursentor Carsten Brosda (SPD) erinnere das Kunstwerk „an die Verbrechen, die an diesem Ort begangen wurden”. Und weiter: „Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper haben ein Denkzeichen geschaffen, an dem man buchstäblich nicht vorbei kommt.”
Die beiden Künstlerinnen erinnerten daran: „Granit ist kein Papier! Die Realisation von ,Stigma‘ war eine härtere und längere Kraftanstrengung als gedacht. Um die Randsteine des Reliefs herzustellen, wurden die acht Zentimeter starken Granitplatten mit einer Trennscheibe vorgefräst und dann mit dem Spalteisen individuell gebrochen.” Dieser Prozess habe Geduld verlangt. „Aber der große Aufwand hat sich mehr als nur gelohnt: Alle Passantinnen und Passanten, die das Bodenrelief betreten, geraten ganz unmittelbar ins Nachdenken über den Sinn oder Unsinn der Bruchspur. Und sie stellen Fragen.”
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Aus der Jury, die 2019 den Entwurf „Stigma” zum Sieger eines künstlerischen Wettbewerbs erklärt hatten, kommt allerdings auch Kritik. Denn anders als im Entwurf vorgesehen, reicht das Bodendenkmal nicht annähernd ran bis zum sogenannten Gedenkort – der Ausstellungsfläche, auf der Besucher sich über die Geschichte der Gestapo-Zentrale informieren können. „Ich frage mich, ob Passanten so überhaupt einen Zusammenhang herstellen können zwischen der Bodenskulptur und dem Gedenken an die NS-Opfer”, so Cornelia Kerth von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Auch optisch mache die Bodenskulptur einen ganz anderen Eindruck als im Entwurf.
NS-Gedenkort wegen Insolvenzverfahren geschlossen
Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, begründet die Verlegung der Bodenskulptur mit technischen Problemen. Hätten die Künstlerinnen die Bodenplatten auf der Brücke über das Bleichenfleet zertrümmert, wären möglicherweise Versorgungsleitungen beschädigt worden.
Der Gedenkort selbst ist seit der Insolvenz der Buchhandlung „Lesesaal” (MOPO berichtete) ohnehin geschlossen. Das wird sich aber bald ändern, verspricht Enno Isermann von der Kulturbehörde. „Wir gehen davon aus, dass die ,Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen’ in den nächsten Wochen den Gedenkort übernehmen kann.”
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Stadt und Hauseigentümer seien sich über die Änderung des Vertrages einig. Isermann weiter: „Während des laufenden Insolvenzverfahrens der Buchhändlerin konnten sowohl die Stadt als auch die Eigentümerin über die Fläche nicht verfügen.” Daher sei der Gedenkort aktuell geschlossen. Die Stiftung habe aber dennoch weiter vor Ort Führungen angeboten.