Personalmangel, Unfälle, Kündigungen: Dramatischer Hilferuf von Tierheim-Mitarbeitern
Hamm –
Was ist bloß los im Tierheim an der Süderstraße? Seit mehr als einem Jahr kommt es nicht aus den Schlagzeilen. 23 Mal waren Amtsveterinäre vergangenes Jahr vor Ort, um angezeigte Missstände zu kontrollieren. Jetzt liegt der MOPO ein dramatischer Hilferuf von vielen Tierpflegern vor, den sie an Bürgermeister und Senat geschickt haben. Die Tierheimleitung weist die Vorwürfe zurück.
In dem offenen Brief, den 32 Mitarbeiter und Ex-Mitarbeiter unterschrieben haben, ist die Rede von einer drohenden Schließung des Tierheims. Aus Unzufriedenheit mit den Zuständen hätten bereits viele Mitarbeiter – vor allem Tierpfleger – gekündigt und weitere stünden kurz vor der Kündigung. Dann „wäre eine drohende Schließung vermutlich nicht mehr aufzuhalten“, heißt es in dem Brandbrief.
In dem Schreiben, das der MOPO vorliegt, erklären die Mitarbeiter ihren offensiven Schritt damit, dass „das Arbeitsklima sich durch das mangelhafte Management“ so sehr verschlechtert habe, dass „viele Kollegen in der Kündigung die einzige Möglichkeit sehen, um nicht an den Umständen kaputt zu gehen.“ Bezirksamt Mitte und Gesundheitsbehörde bestätigten der MOPO den Eingang des Brandbriefs.
Massiver Personalmangel im Hamburger Tierheim?
Die Mitarbeiter seien am Ende ihrer Kraft und „durch den massiven Personalmangel im Tierpflegerbereich“ müssten sie ständig früher anfangen, länger bleiben, zusätzlich an freien Tagen kommen. „Wir haben kaum noch Erholungszeiten und es kommt vermehrt zu Unfällen.“ Man sei im Tierheim so nicht mehr in der Lage, sich gut und ausreichend um die Tiere zu kümmern.
Dass der Brandbrief ausgerechnet jetzt öffentlich wird, ist kein Zufall. Die Mitarbeiter wollen so ganz offensichtlich Einfluss auf die gerade gestarteten Vorstandswahlen beim Hamburger Tierschutzverein (HTV) nehmen. Die Unterlagen wurden gerade verschickt, die Vereinsmitglieder können bis zum 11. April ihre Kreuze machen.
In dem Schreiben an den Bürgermeister wird appelliert: „Kommt im April kein neuer Vorstand ins Tierheim oder ist keine Änderung der Situation in Sicht, werden sich viele von uns der Kündigung anschließen müssen, weil wir kein weiteres Tierleid verantworten wollen.“ Die Kritik richtet sich vor allem gegen die umstrittene HTV-Chefin Sandra Gulla.
Im vergangenen Jahr waren Veterinäre des Bezirksamts Mitte 23 Mal im Tierheim, um anonymen Anzeigen von Mitarbeitern zu folgen. Es ging unter anderem um den Verdacht, dass zu wenige Mitarbeiter sich um zu viele Tiere kümmern müssen. Tiere könnten durch diese Zustände gestorben sein.
Die Veterinäre ordneten sogar an, dass alle Kadaver aus dem Tierheim im Hygiene-Institut zur Untersuchung abgeliefert werden müssen. Bei einer Razzia Mitte Januar wurden allein 200 Kadaver (darunter fünf Hunde, 27 Katzen) beschlagnahmt.
Im Video: Razzia im Tierheim Süderstraße
Außerdem war das Amt für Arbeitsschutz vor Ort, weil eine größere Zahl von Mitarbeitern unter Durchfällen litten und es den Hinweis gab, dass nicht ausreichend für Hygiene-Maßnahmen gesorgt werde. Laut Bezirksamt Mitte läuft die Auswertung zur Razzia noch. Insbesondere die Frage, ob ausreichend Mitarbeiter beschäftigt sind, sei noch nicht geklärt. Dazu werden auch Mitarbeiter in die Behörde zitiert und befragt.
Die fürs Tierheim zuständige Gesundheitsbehörde nimmt den offenen Brief ernst. „Das ist ein Hinweis von Beschäftigten, mit dem Ziel eine behördliche Überprüfung zu erreichen“, so Behördensprecher Dennis Krämer. Man gehe den Beschwerden nach und werde wenn notwendig behördliche Schritte einleiten.
Tierheim-Leitung weist Vorwürfe im Brandbrief zurück
Die Leitung des Tierheims weist die Überlastungsvorwürfe entschieden zurück. „Im Vergleich zu anderen Tierheimen ist der Personalschlüssel zur Versorgung der Tiere gut“, sagt Leiterin Susanne David. Es gebe auch keinen Stillstand im Wachstum des Personals. Sie zieht die Echtheit des Mitarbeiter-Schreibens in Frage und spricht von einem Schreiben, das „vermeintlich“ von den Tierpflegern stammt.
Tatsächlich gibt es in der Belegschaft auch andere Stimmen: In der jüngsten Ausgabe der Vereinszeitschrift äußern sich rund zwanzig Mitarbeiter sehr positiv über die Arbeitsbedingungen. Auch der Tierschutzbund konnte bei einem Kontrollbesuch keine Mängel in der Versorgung der Tiere feststellen.
David räumt aber ein, dass auch Mitarbeiter gegangen sind. Teils in Rente und teils zu anderen Arbeitgebern. Es gibt derzeit sechs Stellen-Ausschreibungen. Es sei nicht einfach, Stellen zu besetzen. Teils wegen des angespannten Arbeitsmarkts, teils wegen „öffentlicher Schmutz-Kampagnen gegen den HTV“.