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Gastro-Szene: Hamburger Wirte verzweifelt: Wenig Gäste, drohende Insolvenzen

An sonnigen Wochenenden ist es in Ottensen, der Schanze und am Jungfernstieg mittlerweile wieder so belebt wie vor Corona. Fast wirkt alles unbeschwert und normal. Doch der Schein trügt ganz entschieden. Den Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals. „Jeder dritte Betrieb ist in großen Schwierigkeiten. Wir rechnen mit vielen Insolvenzen“, sagt Dehoga-Präsident Franz J. Klein. Hamburger Szene-Gastronomen übergeben jetzt eine Petition in Berlin.

Dabei sieht auf den ersten Blick alles schon viel lockerer aus. Pfingsten etwa war die Stadt voll. Menschen saßen wieder draußen vorm Café und schlenderten durch die Stadt. Vorm Alex gab es lange Warteschlangen und am Jungfernstieg saßen viele Familien und Paare fröhlich am Wasser.

Gäste in einem Restaurant am Grindelhof.

Straßenszene am Grindelhof: Draußen sitzen schon wieder viele Gäste im Sonnenschein.

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Patrick Sun

Doch für Gastronomen sind die sogenannten Lockerungen längst keine Entspannung der Lage. „Es ist jetzt sogar schwieriger als während des Lockdowns“, sagt Frank Chemnitz.

Chemnitz gehört zu den Betreibern der „Hobenköök“, ein im im Sommer 2018 neu eröffnetes Restaurant mit Markthalle im Oberhafen. Das ambitionierte Team hatte sich gerade erst einen Kundenstamm aufgebaut, als die Corona-Krise kam.

Frank Chemnitz von der Hobenköök im Restaurant.

Frank Chemnitz gehört zu den Betreibern der Hobenköök. Im Restaurant ist deutlich weniger los, als vor der Corona-Krise.

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Quandt

„Jetzt starten wir quasi wieder bei Null“, so Chemnitz. Seit das Restaurant wieder öffnen darf, ist dort nur etwa 25 Prozent von dem erreicht, was sonst normal ist. Nur die absoluten Stammkunden sind da.

Seit Corona: Hamburger gehen weniger ins Restaurant

Aber gleichzeitig schnellen die Kosten wieder in die Höhe. „Es kommen deutlich weniger Gäste, wir müssen aber trotzdem mehrere Köche, Spüler, Servicekräfte, Barmann und Co beschäftigen, damit alles läuft.“ 

Und selbst wenn die Hamburger wieder Lust aufs Essengehen hätten: Es dürfen wegen der Abstandsregeln nur 50 Prozent der Tische belegt werden. Laut Dehoga kann das für Gastronomen niemals kostendeckend sein. Und durch die Hygiene-Vorschriften entstünden zusätzliche neue Kosten.

Frank Chemnitz in der Markthalle der Hobenköök.

Frank Chemnitz sortiert frisches regionales Gemüse in der Markthalle der Hobenköök. Der Verkauf der Produkte ist stark eingebrochen.

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Chemnitz Beobachtung: Die Gäste sind sehr verunsichert, wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. „Bis die Leichtigkeit zurück ist, das wird dauern“, prognostiziert er. „Das muss erst mal aus den Köpfen wieder raus.“ Und es mache sich auch schon jetzt bemerkbar, dass viele Menschen in Kurzarbeit sind, die Leute würden offenbar schon beim Essengehen sparen.

Hamburg fehlen Touristen: Restaurants nach Corona nicht ausgelastet

Was die „Hobenköök“und viele andere Restaurants auch belastet: Der Tourismus ist noch nicht wieder angelaufen, es gibt kaum auswärtige Gäste, die in der Stadt sind und schön Essengehen wollen. Und weil viele Hamburger derzeit im Homeoffice sind – auch wegen der nur zeitweise geöffneten Schulen und Kitas – leiden auch die Mittagstische unter Gästemangel.

MEnschen sitzen am Jungfernstieg Alsteranleger

Am Alsteranleger sitzen bei Sonnenschein viele Menschen und genießen das Wetter. Aber in die Restaurants hinein setzen sich nur wenige.

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Patrick Sun

Am besten funktioniert da noch die Außengastronomie. Die Plätze sind deutlich besser besetzt, die Innenbereiche werden oft noch gescheut. „Wir werden teilweise sogar ängstlich gefragt was denn passiere, wenn es anfängt zu regnen“, schildert Holger Völsch, Geschäftsführer der Restaurants „Trude“ (Barmbek) und „Altes Mädchen“ (Schanzenhöfe).

Holger Völsch im Restaurant Trude in Barmbek.

Holger Völsch, Geschäftsführer des Restaurants Trude in Barmbek. Als das Restaurant wieder geöffnet werden durfte, war er zuversichtich. Jetzt ist er ernüchtert.

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Marius Roeer

Völsch ist ernüchtert. „Das Geschäft läuft nur verhalten an, wir sind bei 25 Prozent unseres Umsatzes von vor Corona. Das hätten wir ganz anders erwartet.“ Dabei würden die Restaurants die Hygiene- und Abstandsregeln gewissenhaft einhalten.

Restaurant Trude in Barmbek: Umsätze erst bei 25 Prozent

Alles wird ständig desinfiziert, Gäste müssen auch extra wenig anfassen, dafür wurden extra QR-Code-Speisekarten eingeführt. Völsch: „Ich höre allerdings aus dem Bekanntenkreis, dass doch recht viele Leute nicht in die Gastro gehen, weil sie ihre Kontaktdaten angeben müssen.“ 

Burger im Restaurant Trude.

Gigantische Burger und Pommes gibt es im Trude. Doch noch haben die Hamburger nicht so richtig Lust auf Essengehen.

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Marius Roeer

Andere Gäste lösen das Problem auf ihre Art: Derzeit haben Völsch und andere Gastronomen besonders viele Besucher, die Meyer, Müller oder Mickey Mouse heißen.

Völsch: „Wir sehnen uns danach, dass weitere Einschränkungen fallen. In Nordrhein Westfalen dürfen schon wieder Menschen aus zehn verschiedenen Haushalten an einen Tisch. So was hilft sehr weil wir genau diese geselligen Gruppen sehr vermissen.“ 

Dehoga: 30 Prozent der Restaurants in Schwierigkeiten

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet mit vielen Insolvenzen im Laufe dieses und des nächsten Jahres. „30 Prozent der Betriebe bundesweit sind in großen Schwierigkeiten“, sagt Hamburgs Dehoga-Präsident Franz J. Klein.

Leute sitzen draußen im Alex am Jungfernstieg.

Die Außengastronomie am Alex am Jungfernstieg ist bei gutem Wetter schon wieder so gut besucht, dass sich Warteschlangen bilden.

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„Noch sind viele Mitarbeiter in Kurzarbeit. Aber es könnte eine Entlassungswelle auf uns zukommen.“ Denn die Gastronomie habe noch eine lange Durststrecke vor sich.

Weitere Kredite würden der Gastronomie und den Hotels überhaupt nicht richtig helfen. „Das muss ja alles zurückgezahlt werden, aber die Menschen holen das Essengehen ja nicht nach. Das macht man ja nicht plötzlich doppelt.“ Wo sollten die Gastronomen also das Geld für eine Rückzahlung von Krediten hernehmen?

Corona Rettungsfonds: Umsatzsteuer wird gesenkt

Jetzt hat die Bundesregierung ihr Konjunkturprogramm für die Corona-Krise vorgestellt. Es enthält auch Hilfen für die Gastronomie. So wird die Umsatzsteuer in mehreren Punkten gesenkt, auf Speisen für ein Jahr von 19 auf sieben Prozent gesenkt.

Franz J. Klein, Dehoga-Präsident

Hamburgs Dehoga-Präsident Franz J. Klein sorgt sich um die Gastronomie.

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Dehoga

Hinzu kommen dreimonatige „Überbrückungshilfen“ aus dem Rettungsfonds des Bundes. Dabei werden 50 bis 80 Prozent der fixen Betriebskosten (Personal, Mieten etc) drei Monate lang erstattet. Die Summen sind gedeckelt. Ein Beispiel: Bei Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten gibt es maximal 15.000 Euro. Bei größeren maximal 150.000 Euro.

Dehoga skeptisch: Corona-Hilfen reichen nicht

Der Dehoga ist skeptisch, dass das ausreicht: „Die geplanten Summen sind zu gering. Überbrückungshilfen für drei Monate greifen deutlich zu kurz“, so Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Er fordert eine Ausweitung auf sieben Monate.

Die Krise ist zu groß, in der die Gastronomie steckt. Durch die Abstandsregeln sind die Läden nur halb besetzt, können nur etwa 50 Prozent des Umsatzes erreichen. Wer keine Außenflächen hat, sogar noch deutlich weniger. „Das alles bietet uns noch keine Perspektive“, sagt Johannes Riffelmacher vom „Salt&Silver“an der Hafenstraße.

Kitchen Guerilla in Hamburg: Veranstaltungs-Gastro am Boden

Für die „Kitchen Guerilla“ von Koral Elci sieht es noch düsterer aus. Denn Catering ist derzeit und auf absehbare Zeit noch komplett am Boden. Denn es dürfen sich ja bisher auch nur zehn Personen aus zwei Familien treffen. Damit fallen Hochzeiten, Geburtstage, größere Events flach. Elci: „Bei mir fallen 80 bis 90 Prozent des Geschäftes weg. Da hilft eine Steuersenkung kaum.“ Die Hilfen müssten sich mehr an der realen Kostenstruktur der einzelnen sehr verschiedenen Betriebe orientieren.

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Riffelmacher sagt: „Ich mag selbst nicht, wenn Leute immer jammern, dass es nicht reicht. Aber so ist die Lage in der Gastronomie gerade, es reicht wirklich nicht.“ Er hat Ende April gemeinsam mit Koral Elci (Kitchen Guerilla), Patrick Rüther (Überquell) und anderen eine Petition zur Rettung der Gastronomie gestartet. Mehr als 123.000 Menschen haben unterschrieben. Am Montag, den 15. Juni wird sie in Berlin Wirtschaftsminister Peter Altmeier übergeben.

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