Ein bisschen Holland, ein bisschen Venedig
Gerade geht ein neues Schiff auf große Reise. Die Werft-Überführungen der Kreuzfahrtgiganten bringen immer Tausende Menschen ins Emsland. Doch Papenburg ist so viel mehr: Es ist das Land der Fehn! Fehn bezeichnet in Ostfriesland eine spezielle Form der Moorsiedlung, die an ins Moor getriebenen Kanälen entstanden ist.
Shipspotting an der Ems
Da steht ein Mann in Papenburg und zieht ganz allein ein Schiff übers Wasser. Eingespannt im Gurt steht er da etwas einsam am Treidelpfad des Splittingkanals. Auf dem Muttschiff türmt sich der Torf. Es ist noch nicht lange her, da wurde drüben auf der Ems noch ein Schiff bugsiert, auf der anderen Seite von Papenburg. Als die außergewöhnlich große ‚Disney Wish‘, fast 350 Meter lang und 17 Decks hoch, von der Papenburger Meyer Werft über die Ems auf die Nordsee überführt wurde, kamen Tausende zum Schauen. Die besten Shipspotting-Plätze entlang der 45 Kilometer-Passage werden auf Insider-Plattformen von Fotografen und Kreuzfahrbloggern geteilt. Sind die Fotos im Kasten, geht es mit Rucksack und Tee-Thermoskanne wieder nach Hause. Dabei hat Papenburg noch so viel mehr zu bieten.
Fehn steht immer für Moor
Die beiden Torfschiffzieher am Splittingkanal, seien sie auch nur aus Guss geformt, beschreiben die Tradition des Schiffe-Treidelns, bei denen ein Mann an einem Seil bis zu zehn Lastkähne am Treidelpad hinter sich herzog. Sie erzählen von der längst vergangenen Fehnkultur im Emsland.
Nachdem keine 15 Kilometer entfernt beim Nachbarn in den Niederlanden 1599 die älteste Moor-Kolonie gegründet wurde, wurden auch hier im Emsland rasch die ersten Wijken gegraben. Diese Kanäle sollten das Moor entwässern. Der gestochene Torf wurde dann auf den getreidelten Kähnen transportiert und als Brennmaterial verkauft. So entstanden die ersten Moorsiedlungen. Noch heute erinnern einige Orte an ihre Herkunft, wie Augustfehn im Ammerland, Moslesfehn im Oldenburger Raum oder Fehndorf und Wittefehn im Emsland. Ob Berumerfehn oder Rhauderfehn – die Endung ‚fehn‘ steht dabei immer fürs Moor. Und Papenburg gilt gar nicht nur als älteste, sondern auch als größte deutsche Fehnsiedlung.
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Mühle wie in Holland
Den Grundstein legte der Bischof von Münster, als er hier am Rande zu Ostfriesland um 1250 eine Wasserburg errichten ließ: die Papenborch. Später kaufte Dietrich von Velen aus einem westfälischen Adelsgeschlecht 1629 die inzwischen verfallene Burg. Von Velen ließ Kanäle graben, um die Siedlung in die Ems zu entwässern. Dafür brauchte er Männer. Die mit Werbebriefen herbeigerufenen Siedler erhielten eine Plaatze, das ist ein 40.000 m²-Stück Moor, und eine Heidekate aus Reisig. So entstand um 1630 die Fehnsiedlung und erste Moorkolonie auf deutschem Boden. Heute erinnert das Von-Velen-Freilichtmuseum am Splittingkanal an die uralte Fehnkultur und die Fehntjer, die sich redlich mühten, die Moorflächen zu Weide- und Ackerland umzubauen. Zumindest waren die Siedler von Steuern befreit, seitdem der Fürstbischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, Papenburg 1657 den Status einer Herrlichkeit zusprach. Mit diesem Privileg durfte auch eine Windmühle erbaut werden. Heute steht der dreistöckige imposante Galerie-Holländer ‚Meyers Mühle‘ als Entree gleich am Hauptkanal.
Unter Dietrichs Enkel Christoph Alexander erblühte die Schifffahrt. Um 1744 war bereits jeder vierte Papenburger im Schiffbau tätig. Der Stadtgründer, Dietrich von Velen, steht als Bronzefigur am Splittingkanal. Rundum prägen die Kanäle das Stadtbild, vom Küstenkanal im Südosten bis zum Hafen an der Ems, von Oben- bis Untenende. Die vielen Wasserläufe, und die charmanten Brücken machen das hübsche Städtchen zum Venedig des Nordens.
Schiffsnachbauten in den Kanälen
Die Stadt wirkt wie ein Schifffahrtsfreilichtmuseum: Ob Kuffen, Tjalken oder Schmacken, in den Kanälen ankern originalgetreue Nachbauten alter Papenburger Schiffe. Die schmucke Brigg ‚Friederike von Papenburg‘ zeigt sich als Rahsegler des 18. Jahrhunderts repräsentativ im Kanal vor dem parkähnlichen Vorgarten des neobarocken Rathauses. Im Hauptkanal liegen weitere Schiffe, fotogen die Kuff ‚Margaretha von Papenburg‘ und die friesische Tjalk ‚Thekla von Papenburg‘.
Besuch auf der Meyerwerft
Die Meyer Werft ist als größter Arbeitgeber der Stadt auch die wichtigste Sehenswürdigkeit. 250.000 Besucher besichtigen jedes Jahr die Werft, die 1795 von Willm Rolf Meyer als Holzschiffswerft am Hauptkanal gegründet wurde. 1872 stellte man auf Stahl um – und erntete im Emsland zunächst einmal Gelächter, dass man Schiffe aus einem Material bauen wollte, dass versinkt, sobald man es ins Wasser wirft. Heute werden hier mit über 3000 Mitarbeitern für weltbekannte Reedereien Kreuzfahrtschiffe gebaut. Die Werft besitzt nicht nur das größte überdachte Trockendock der Welt, sondern setzt auch auf die modernen Flüssigerdgas-Antriebe. Wenn dann die Riesen der Meere ausgeschifft werden, kommen immer wieder Tausende Menschen aus ganz Deutschland zum Schiff-Gucken an die Ems.
Info: Fehnland erleben: Torf-Hütten, Moorkunde und Fehnhäuser. Von-Velen-Freilichtmuseum + Papenbörger Hus, www.von-velen-anlage.de
Schiffe gucken: 3500 Quadratmeter-Besucherzentrum auf dem Gelände der Meyer-Werft: www.besucherzentrum-meyerwerft.de
www.papenburg.de