• Demonstranten bei einer Querdenker-Demo in Leipzig halten Schuldig-Schilder mit Politikerköpfen hoch.
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Corona-Gesetz: Vor der Abstimmung herrscht Aufruhr

Berlin –

Was heute im Bundestag und Bundesrat geschieht, ist ein demokratischer Akt: Abgestimmt wird über weitere Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Es geht dabei um die rechtlichen Grundlagen für die Corona-Maßnahmen. Von der Opposition kommt dazu Kritik. So weit, so normal. Unter Gegnern der Corona-Maßnahmen kursiert derweil die Mär von einem „Ermächtigungsgesetz“. Die Polizei warnt vor Gewalt.

Vor der Abstimmung über die geplanten Neuregelungen des Infektionsschutzgesetzes bereitete sich die Polizei auf Demonstrationen und womöglich gewalttätige Proteste von Gegnern vor. Bundestagsabgeordnete wurden zudem mit tausenden kritischen Spam-E-Mails bombardiert.

Rechte sprechen von Ermächtigungsgesetz

Vertreter der Regierungsparteien wiesen Vergleiche des Infektionsschutzgesetzes mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz von 1933 scharf zurück. Damals hatte sich der Reichstag selbst entmachtet und die Gesetzgebung auf Reichskanzler Adolf Hitler übertragen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) twitterte gestern: „Völlig unabhängig davon, ob man sie für richtig hält: Die Coronamaßnahmen, die wir beschließen, haben nichts mit dem Ermächtigungsgesetz zu tun. Wer so infame Vergleiche anstellt, verhöhnt die Opfer des Nationalsozialismus und zeigt, dass er aus der Geschichte nichts lernt.“

Infektionsschutzgesetz: Rechte des Parlaments stärken

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer böswilligen Lüge, wenn von den Kritikern von einem „Ermächtigungsgesetz“ gesprochen werde. Es gehe nicht darum, dass die Rechte des Parlamentes ausgehebelt, sondern gestärkt werden sollten. Auch Vorwürfe, es gebe keine zeitliche Befristung, seien falsch – ausdrücklich seien Befristungsregelungen in das Gesetz eingearbeitet worden. Auch eine Impfpflicht sei nicht geplant.

Querdenker auf Demo.

Mitglieder einer Querdenker-Demo gegen die Corona-Auflagen.

Foto:

dpa

Kalle Schwensen mischt auf Facebook mit

Auch die ehemalige Hamburger Rotlicht-Größe Kalle Schwensen, heute als Social-Media-Phänomen und Talkshow-Gast unterwegs, fabuliert auf seinem Facebook-Account über ein „Ermächtigungsgesetz“, nimmt direkt Bezug auf 1933 und ruft zum Protest per Mail auf. Tatsächlich wurden dann viele Abgeordnete vor der Abstimmung mit einer Flut von kritischen Spam-E-Mails gegen das Infektionsschutzgesetz überschwemmt.

Alexander Dobrindt: 37.000 Mails von Kritikern erhalten

Allein sein Büro habe bis zum Dienstagvormittag etwa 37 000 solche Mails erhalten, berichtete Dobrindt. Verweise auf die Nazi-Zeit und die Relativierung des Holocaustes sind wiederkehrende Motive beim radikalen Teil der Gegner der Corona-Maßnahmen. So hatte zuletzt der Auftritt einer Elfjährigen in Karlsruhe für Empörung gesorgt, die auf einer „Querdenken“-Bühne vorgelesen hatte, sie habe sich bei ihrer Geburtstagsfeier unter Corona-Bedingungen gefühlt „wie bei Anne Frank in ihrem Hinterhaus“.

Corona: Demonstrationen in Berlin angemeldet

Die Jüdin Anne Frank, deren Tagebücher später weltberühmt wurden, hatte sich über Jahre vor den Nazis versteckt und starb später im KZ. Die Polizei ging davon aus, dass die Mutter der Elfjährigen die Rede geschrieben hat. Von einem Ermittlungsverfahren sah die zuständige Staatsanwaltschaft nach einer ersten Prüfung ab. Für heute sind in Berlin mehrere Demonstrationen angemeldet – von Gegnern der Corona-Einschränkungen wie den „Querdenkern“ sowie von Gegendemonstranten.

Kundgebung vor dem Bundestag erlaubt?

Ob Kundgebungen direkt vor dem Bundestag stattfinden dürfen, blieb unklar. Der Sicherheitsbeauftragte des Bundestags schrieb an die Abgeordneten, dass das Berliner LKA Anlass zur Sorge sehe, „weil mit Angriffen auf Gebäude des Bundestages und auch auf Personen“ zu rechnen sei.Staatsschützer der Polizei haben gestern die Wohnung des Vegan-Kochs Attila Hildmann in Brandenburg durchsucht, der sich selbst „ultrarechts“ und einen Verschwörungsprediger nennt und im Vorfeld der heutigen Abstimmung massiv mobilisiert hatte.

Durchsuchung beim Attila Hildmann

Die Durchsuchung sei zum Zweck der Gefahrenabwehr angeordnet worden. Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus laufen Ermittlungsverfahren gegen Hildmann, unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Die Beamten hätten Computer, Mobiltelefone und Speichermedien beschlagnahmt, so ein Sprecher: „Das Ziel war, die Begehung weiterer Straftaten im Internet zu erschweren.“ Außerdem hätten die Beamten eine Gefährderansprache gehalten.

Verfassungsschutzchef Torsten Voß äußert sich

Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß hatte betont, dass nicht jeder Aluhut ein Fall für die Sicherheitsbehörden sei. „Wer aus Wut darüber, dass seine wirtschaftliche Existenz bedroht ist, auf die Straße geht, ist kein Fall für den Verfassungsschutz. Auch Impfgegner zu sein und Corona zu leugnen ist eine Meinung, die man haben kann, so irrational sie auch ist“, sagte Voß dem „Spiegel“.

Schwierig werde es, wenn „Querdenker“ der Regierung unterstellten, „sie habe das Virus erfunden, um die Bevölkerung zu unterdrücken“. Immer mehr Protestler stellten mit ihren Verschwörungserzählungen den Staat als solchen infrage. Da sei der Verfassungsschutz alarmiert.

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