Tunesien: Der Arabische Frühling mutiert endgültig zum Winter
Tunesien war das einzige Land, das sich nach dem Aufständen des „Arabischen Frühlings“ 2010 einer echten Demokratie entwickelt hatte. Nun scheint das Land wieder in Richtung einer autoritären Herrschaft zu rutschen – per Referendum.
Vor einem Jahr hatte der 2019 gewählte Präsident Kais Saied unter Berufung auf Notstandsgesetze bereits die Regierung und das Parlament entmachtet. Nun hat er sich per Volksabstimmung umfassende neue Rechte zuschanzen lassen.
Tunesien: Referendum mit niedriger Wahlbeteiligung
Saieds Referendum erhielt eine überwältigende Mehrheit von mehr als 90 Prozent. Allerdings: Nur 28 Prozent der Bevölkerung haben an der Abstimmung überhaupt teilgenommen. Die islamistische und auch die säkulare Opposition hatten das Referendum gleichermaßen boykottiert. Beide betrachten den gesamten Prozess als nicht rechtmäßig und werfen Saied vor, in Tunesien eine Diktatur errichten zu wollen.
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Tatsächlich erhält der Präsident durch die Änderung zusätzliche Befugnisse. So darf er künftig beispielsweise Richter fast nach Belieben ernennen und entlassen. Auf diese Weise lässt sich die Justiz praktisch komplett kontrollieren. Zudem darf er den Regierungschef und die Minister ernennen und erlassen. Er selbst kann aber nicht mehr abgesetzt werden. Und auch seine Gesetzesentwürfe müssen im Parlament künftig vorrangig vor den Entwürfen anderer behandelt werden.
Tunesier leiden unter einer hohen Arbeitslosigkeit
Saied erklärte, er werde mit Hilfe der Reformen „alle Forderungen des tunesischen Volks“ umsetzen. Der Politiker rechtfertigte sein Handeln in den vergangenen Monaten immer wieder mit dem Argument, er wolle den politischen Stillstand in der Politik beenden. In Tunesien ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch, viele Menschen leiden in der Folge an Armut.