Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Kreis seiner EU-Amtskollegen
  • Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Kreis seiner EU-Amtskollegen
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Virginia Mayo

Gas und Atomkraft: Die Stunde der Wahrheit rückt näher

Die Energieversorgung in Europa bleibt das Mega-Thema dieses Sommers. Wegen drohender Gas-Knappheit hat sich die EU nun einen Notfallplan zurechtgebastelt. Trotzdem bröckelt in Deutschland der Widerstand gegen eine mehrmonatige Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Es dürfte schon bald zum Schwur kommen.

Die EU-Energie- und Umweltminister haben sich auf einen Plan geeinigt, wie sie im Fall einer Gas-Knappheit verfahren wollen: Demnach sollen die Mitgliedsstaaten ihren Gasverbrauch zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu ihrem durchschnittlichen Gasverbrauch zwischen dem 1. August und dem 31. März in den fünf Jahren davor senken.

Ein Notfallplan mit zahlreichen Ausnahmen

Die Einsparung soll – anders als von der EU-Kommission eigentlich geplant – auf freiwilliger Basis erfolgen. Der Grund: Länder wie Spanien, Italien oder auch Polen sind nicht bereit, ihrer eigenen Wirtschaft und Bevölkerung zu schaden, „für die politischen Fehler, die Deutschland begangen hat“, wie die spanische Energieministerin offen erklärte. Gemeint ist damit die hohe Abhängigkeit von Russland. Viele Länder importieren überhaupt kein russisches Gas.

Im Notfall können die Mitgliedsstaaten aber doch noch einen Sparzwang beschließen. Die Hürden sind aber relativ hoch. Mindestens 15 Staaten, die 61 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssten zustimmen (qualifizierte Mehrheit). Der Notfallplan kam nur zustande, weil es zahlreiche Ausnahmen gibt. So sind Länder in Insellage – wie Irland, Zypern oder Malta – oder mit fehlendem Anschluss an das Verbundnetz – wie Spanien und Portugal – von der Vorgabe befreit. Die Übereinkunft sieht auch vor, dass Länder auf die Verstromung von Gas verzichten. Ausnahmen gibt es im Notfall nur für die baltischen Staaten, deren Stromnetz noch immer eng mit Russland verbunden ist.

Habeck: Deutschland muss mehr als 15 Prozent einsparen

Aufgrund der vielen Ausnahmen, wird Deutschland – das auch die energie- und gasintensivste Industrie hat – mehr als die 15 Prozent einsparen müssen, wie Energieminister Robert Habeck (Grüne) klar machte: „Wir sollten versuchen, besser zu werden.“ Die Bundesnetzagentur hält eine Einsparung von 20 Prozent für möglich. Habeck feierte die Vereinbarung trotzdem als ein „starkes Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter der EU“.

Weniger fröhlich dürfte der Wirtschaftsminister auf die Diskussion um die deutschen Atomkraftwerke blicken. Die EU-Kommission hatte von der Ampel-Koalition bereits Zugeständnisse gefordert, wenn sich Europa in der Gasfrage solidarisch zeigt. Und auch der eigene Koalitionspartner macht Druck.  FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht eine Laufzeitverlängerung als Frage der europäischen Solidarität. „Ich wüsste nicht, wie wir unseren europäischen Partnern erklären sollen, dass wir sichere Energiequellen aus ideologischen Gründen abschalten, während Frankreich mit einem Bein in einer Stromkrise steht“, sagte er.

Habecks Staatssekretärin: Im Zweifel sind wir solidarisch

Sogar in Habecks eigener Partei mehren sich die Stimmen, die eine Laufzeitverlängerung nicht ausschließen. Katrin Göring-Eckardt kann sich einen „Streckbetrieb“ der noch laufenden AKW vorstellen. Der bayerische Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann ebenfalls. Und Habecks eigene Staatssekretärin Franziska Brantner sagt mit Blick auf die Stromengpässe in Frankreich, Deutschland wolle „im Zweifel auch solidarisch sein“.

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Offiziell will die Bundesregierung erst einmal die Ergebnisse eines zweiten Stresstests (Engpass-Simulation) abwarten – und dann entscheiden, ob die AKW nach Jahresende für einige Monate weiterlaufen sollen. Eine erster Stresstest hatte ergeben, dass die Meiler für die Versorgungssicherheit nicht gebraucht werden. Die Ergebnisse des zweiten Tests werden „in einigen Wochen“ vorliegen, erklärte eine Regierungssprecherin.

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