• Die Kapazitäten an Corona-Tests sind wohl größer als bislang angenommen (Symbolbild).
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Labore im Leerlauf: Absurd: Warum werden nicht viel mehr Menschen auf Corona getestet?

In Hamburg werden nach Angaben von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) täglich 3.500 Menschen auf Corona getestet. Kapazitäten gebe es jedoch für über 8.000 Tests pro Tag. Ende März hieß es von Seiten der Bundesregierung noch, dass es zu Engpässen beim Testzubehör kommen könnte. Inzwischen gibt es genügend Tests – sie werden nur nicht alle genutzt. Jetzt hat das Robert Koch-Institut die Voraussetzungen für Tests gelockert. Das nächste Problem: Die Krankenkassen wollen die Massentests nicht bezahlen.

„Wir testen gezielt nach den Kriterien des Robert Koch-Instituts, also vor allem Menschen mit Symptomen, Vorerkrankungen und Risikogruppen“, sagt ein Sprecher der Gesundheitsbehörde auf Nachfrage der MOPO. Die 8.000 Tests seien lediglich eine vorhandene Kapazität.

Erst vor wenigen Tagen hatte das Robert-Koch-Institut seine Empfehlungen geändert: Der Kontakt zu einem nachgewiesenen Corona-Fall ist keine Voraussetzung mehr für einen Test. Das gilt etwa für Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie das dortige Personal und Mitarbeiter von Arztpraxen. Von Tests ohne Symptomen rät das Institut weiterhin ab, da in der Inkubationszeit ein negativer Test nicht aussagekräftig sei.

Hamburg testet ganze Pflegeheime auf Corona

In Kliniken und Pflegeeinrichtungen werde schon seit Ende März intensiver getestet, teilte die Hamburger Gesundheitsbehörde auf Anfrage der MOPO mit. Sei in einer Pflegeeinrichtung jemand an Covid-19 erkrankt, werde im Regelfall die gesamte Einrichtung getestet. Seit mehr als einer Woche sei zudem ein mobiles Team des Deutschen Roten Kreuzes im Einsatz, das täglich etwa 600 Tests direkt vor Ort in den Pflegeheimen durchführe. Dieses Team sei unabhängig von den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts im Einsatz.

Die Testzahlen liegen immer noch deutlich unter den stark hochgefahrenen Laborkapazitäten: Mehr als 800.000 Corona-Tests hätten in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in der letzten Woche insgesamt bereit gestanden. In der Woche davor wurden allerdings nur etwas mehr als 300.000 Tests durchgeführt. Diese Zahlen lassen erahnen, dass auch deutschlandweit viel weniger getestet wurde, als es die Kapazitäten zuließen.

Hersteller: Es sind genug Corona-Test-Kits vorhanden

Zeitgleich gab es in den letzten Wochen Medienberichte über knappe Ressourcen wie fehlende Reagenzien und Teströhrchen bei den Herstellern. Einer der größten Hersteller von Test-Kits ist die Firma Qiagen aus Hilden (Nordrhein-Westfalen). „Am Anfang der Corona-Krise haben wir 1 Million Test-Kits im Monat für den internationalen Markt produziert, jetzt sind es 7 Millionen und im Oktober rechnen wir mit 20 Millionen“, sagt Thomas Theuringer, Pressesprecher von Qiagen zur MOPO.

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Mit einem Kit können 250 Tests durchgeführt werden. In der Vergangenheit habe es Engpässe bei einzelnen Komponenten gegeben, aber nun habe man die Produktion umgestellt. Eine Ausweitung der Tests in Deutschland sei deshalb keine Hürde.

Corona-Krise: Laboren fehlen die Aufträge

Als Begründung für die geringen Test-Zahlen nennt das RKI gegenüber dem „Spiegel“, dass die Zahlen der Covid-19-Fälle und Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung ebenfalls gesunken seien. Der ALM, der Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland, sieht das anders. Im „Spiegel“ sagt Geschäftsführerin Cornelia Wanke, vielen Laboren würden die Aufträge fehlen, auch weil viele Menschen den Eindruck hätten, sie könnten sich nur unter strengen Voraussetzungen testen lassen.

Corona-Pandemie: Zu Beginn galten strenge Regeln für Tests

Zu Beginn der Pandemie war das tatsächlich so. Das RKI kommunizierte lange Zeit, es sollten nur Menschen getestet werden, die grippeähnliche Symptome aufweisen und in den letzten 14 Tagen Kontakt zu einem bestätigten Fall hatten oder sich in einer Corona-Region aufhielten. Nur dann hat auch die Krankenversicherung den Test bezahlt.

Corona-Tests auch ohne Symptome?

Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin fordert im „Spiegel“ hingegen, auch Menschen ohne Symptome zu testen. Es sei sinnvoll, neben Patienten und Mitarbeitern in Krankenhäusern und Pflegeheimen auch Menschen ohne Symptome im Umfeld von Erkrankten gezielt zu testen, um eine stille Ausbreitung frühzeitig zu verhindern.

Bundesregierung kündigt Millionen Corona-Tests an

Die Bundesregierung hat in einer Kabinettssitzung am Mittwoch entschieden, die Anzahl der Testungen auszuweiten. Von bis zu 4,5 Millionen Tests pro Woche ist die Rede. Besonders gefährdete Menschen wie Bewohner von Pflegeeinrichtungen sollen verstärkt getestet werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht vor, dass die Krankenkassen dabei auch Tests ohne vorherige Symptome zahlen sollen.

Krankenkassen wollen Corona-Tests nicht bezahlen

Die Krankenkassen wehren sich jedoch gegen diese Überlegungen. Auf Nachfrage der MOPO bei der Techniker Krankenkasse mit Sitz in Hamburg verwies diese auf den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Der GKV sprach sich zur Eindämmung des Virus für die Massentests aus, allerdings bezahlt aus Steuern.

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„Die gesetzliche Krankenversicherung kann diese Aufgabe als Auftragsleistung in der aktuellen Krise übernehmen, damit das organisatorisch gut funktioniert, erwartet aber eine Finanzierung aus Steuermitteln“, so Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. 

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