Grippe-Impfstoff knapp: Viele Ungefährdete geimpft – aber Risikogruppen in Not
Wegen Corona lassen sich in diesem Jahr offenbar deutlich mehr Menschen gegen Grippe impfen. Und starten damit auch früher als in anderen Jahren. Wird der Grippe-Impfstoff in diesem Jahr knapp? Die Ständige Impfkommission geht davon aus. Und die Apothekerkammer Schleswig-Holstein beklagt bereits jetzt, dass es einen Engpass gibt.
„Ich gehe davon aus, dass der Impfstoff bei weitem nicht ausreichen wird“, sagt Frank Jaschkowksi, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Tausende Schleswig-Holsteiner könnten sich schon jetzt nicht gegen Grippe impfen lassen, weil der Impfstoff fehle. Das Gros der 630 Apotheken im Land habe keinen Impfstoff mehr.
Eine ausstehende nächste Lieferung ist nach seiner Einschätzung im Dezember dann schon wieder aufgebraucht. In diesem Jahr darf in Deutschland erstmals auch in Apotheken gegen Grippe geimpft werden. Dazu sind aber Vereinbarungen über Modellprojekte nötig.
Stiko: Impfstoff gegen Grippe knapp
Auch nach Einschätzung der Ständigen Impfkommission ist in Deutschland voraussichtlich nicht genügend Impfstoff vorhanden. Für die Saison 2020/21 sollen rund 25 Millionen Dosen zur Verfügung stehen, aber allein für die Versorgung der Menschen mit Impf-Empfehlung würden rund 40 Millionen Dosen benötigt.
Hausärzte: Wegen Corona mehr Impfdosen bestellt
Der Hausärzteverband bestätigte, die erste Impfstoff-Lieferung sei weitgehend verbraucht. Seine Praxis in Leck (Kreis Nordfriesland) sei seit Freitag „blank“, sagte der Landesvorsitzende Thomas Maurer. Die 700 Dosen aus der ersten Tranche seien verbraucht. Angesichts der erwarteten Nachfragesteigerung habe seine Praxis für diese Saison die Zahl der georderten Dosen von 700 auf 1120 erhöht.
„Auf die restlichen warten wir jetzt“, sagte Maurer. Ob dies ausreiche, sei offen. In diesem Jahr habe die Nachfrage sehr viel früher eingesetzt als sonst. „Vielleicht kommen zum Ende hin nicht so viele.“
Apothekerkammer: Kritik an Jens Spahn
Die Apothekerkammer übt massive Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Denn er hatte dazu aufgerufen, sich in diesem Jahr wegen Corona auch gegen Grippe impfen zu lassen. Jaschkowski: „Jetzt lassen sich auch viele Menschen impfen, die keinen Impfschutz gegen Grippe brauchen“, so Jaschkowski.
Aus seiner Sicht sollten nur über 60-Jährige und besondere Risikogruppen geimpft werden. Die Ständige Impfkommission zählt dazu unter anderem Frauen ab der 14. Schwangerschaftswoche, Personen mit Vorerkrankungen und Menschen, die berufsbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.
Grippe-Impfung: Risikopatienten haben Vorrang
Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) dagegen kann von einem Impfstoff-Mangel nicht die Rede sein. Die nächste Charge werde jetzt an die Großhändler geliefert und von dort an die Praxen weitergeleitet, sagte Sprecher Nikolaus Schmidt. „Bis Ende des Jahres wird alles ausgeliefert sein, was bestellt wurde.» Insgesamt seien das 20 Prozent mehr gewesen als im vergangenen Jahr.
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Auch dort wird der Gesundheitsminister kritisiert. Spahns Aufruf sei wenig hilfreich gewesen, sagte auch KVSH-Sprecher Schmidt. Richtschnur sollten weiter die Empfehlungen der Impfkommission sein. (san/dpa)