Liebe, Arbeit, Solidarität: Zukunftsforscher erklärt: So ändert Corona Hamburg
Gesellschaftliche Krisen verändern die Menschen. Bereits jetzt ist auch unter den Hamburgern eine gestiegene Solidarität zu spüren. Verschieben sich gerade unsere Prioritäten im Leben? Unsere gesellschaftlichen Werte wird diese Krise nicht erschüttern. Aber sie kann dazu beitragen, dass wir ständig aufgeschobene Dinge, wie den Anruf bei Oma, wieder nach oben auf unsere To-Do-Liste schreiben.
Erst, wenn uns Dinge genommen werden, begreifen wir, wie wertvoll sie eigentlich sind. Dabei geht es nicht um materielles. Es geht um die Liebe zur Familie und Freunden, um unsere Freiheit, um ein unbeschwertes und selbstbestimmtes Leben.
Auf einmal schauen wir auch hinter die Türen im Hausflur, lernen unsere Nachbarn kennen. Auch der Stellenwert unserer Familie steigt, wenn wir sie nicht mehr einfach mal so besuchen und in den Arm nehmen können. „Es gibt momentan eine Renaissance der Nachbarschaft und Familie“, bestätigt auch der Hamburger Zukunftswissenschaftler Ulrich Reinhardt. Der 49-Jährige hat eine Professur für Empirische Zukunftsforschung an der Fachhochschule Westküste in Heide.
Hamburger Zukunftsforscher über Solidarität nach Corona
Wie wir als Gesellschaft aus dieser Krise rausgehen, ist auch abhängig davon, wie lange sie anhält: „Wenn in acht Wochen alles vorbei wäre, dann werden wir so weiter machen wie vorher. Vielleicht blicken wir mal zurück und sagen: Weißt du noch damals“, sagt Reinhardt. Ein Wandel der Normen und Werte in unserer Gesellschaft ist da also zu groß gedacht. „Aber ein sozialer Wandel ist durchaus denkbar“, sagt er.
Hamburg: Lokal könnte die Solidarität nach Corona bleiben
„Man hilft sich einfach wieder. Viele haben verstanden, dass es nur gemeinsam geht“, sagt Reinhardt. Die Chancen stehen also gut, dass die Solidarität zumindest im Lokalen auch nach der Krise weiter anhält. „Es werden aber nie alle sein“, sagt Reinhardt. In diesen Tagen schreien einige nach Freiheit, verständlich, aber unangebracht: „Sicherheit schlägt Freiheit in Krisenzeiten.“
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Viele Hamburger lernen jetzt die Arbeit im Homeoffice kennen. Die Flexibilität steigt, der Arbeitsweg fällt weg. Für einige Unternehmen könnte es sich lohnen, eine Mischform zwischen Büro und heimischem Schreibtisch anzubieten. „Sowohl Arbeitnehmer also auch Arbeitgeber haben gelernt, dass Meetings über Skype eine Alternative sein können“, sagt Reinhardt. Früher galt es als Statussymbol, wenn der Geschäftsmann morgens in München und abends wieder in Hamburg war. Eine Priorität, die wir zukünftig verschieben sollten.
Forscher Ulrich Reinhardt: Digitales nur Ergänzung
„Das Digitale sollte aber weiterhin nur eine Ergänzung und kein Ersatz des Sozialen sein“, sagt Reinhardt. Der Kontakt verbessert sich, trotz Kontaktverbot. Das sollten wir beibehalten und dann anstelle eines Telefonats mit der Oma lieber einen schönen Kaffee gemeinsam genießen.
Jeder wird anders aus dieser Krise hervorgehen. „Die einen werden fürs Leben gekennzeichnet sein, vielleicht haben sie einen geliebten Menschen oder ihre Existenz verloren“, sagt Reinhardt. „Und die anderen mussten nur ihren Urlaub verschieben.“ Egal wie stark einen diese Krise trifft, den Zusammenhalt und die Unterstützung dürfen wir auch nach Corona nicht vergessen. Denn wenn man sich erst einmal kennengelernt hat, ist es schwer, das wieder rückgängig zu machen.