EM-Boom? So läuft es für die 26.000 Fußballerinnen in Hamburg
Wie kann der Fußball den jüngsten Boom um Alexandra Popp und Co. bei der Frauen-EM nutzen? Beifall gab es viel, aber auf Beistand kommt es an. Die MOPO hat sich in Hamburg umgeschaut.
Die EM ist vorbei – die WM steht vor der Tür! Drei Hamburgerinnen hoffen, bei der U17-WM im Oktober in Indien dabei zu sein. Paulina Bartz, Marlene Deyß und Svea Stoldt vom HSV absolvieren derzeit in Herzogenaurach einen Vorbereitungslehrgang. Stoldt und Bartz gewannen mit dem DFB-Nachwuchs im Mai schon die U17-EM.
Hamburgs Fußballerinnen haben sich vom Bundesliga-Rückzug des HSV vor zehn Jahren inzwischen erholt. Die B-Juniorinnen des HSV holten jüngst sogar die Deutsche Meisterschaft. Bei den Erwachsenen verpasste der Rautenklub jedoch knapp den Aufstieg in die Zweite Liga und kickt weiterhin in der Regionalliga Nord.
Die U17-Kickerinnen des HSV wurden gerade Deutsche Meister
Dort sind auch der FC St. Pauli und der Eimsbütteler TV vertreten. „Vor acht Jahren haben wir mit unserem Projekt KickBEES begonnen, um eine Marke zu schaffen und eine Identifikation mit dem Verein zu ermöglichen“, erzählt Dennis Tralau, der beim ETV die Frauen und die B-Mädchen trainiert: „Der Rest sind extrem viel Fleißarbeit und extrem viel Herzblut.“
Eher als das viel diskutierte „Equal Pay“ fordert der Eimsbütteler „Equal Play“ – gleiche Rahmenbedingungen. In der höchsten Hamburger Frauen-Spielklasse wird erst seit Kurzem überhaupt mit Linienrichter:innen gespielt. „Das A und O sind Strukturen und da kommt von den Verbänden zu wenig. Der letzte Boom ist kläglich liegen gelassen worden.“
ETV-Trainer Tralau fordert bessere Strukturen: „Der letzte Boom wurde liegen gelassen“
Auch St. Pauli-Trainer Jan-Philipp Kalla hofft künftig auf eine ähnliche Förderung, wie sie dem Männerfußball zukommt – und auf mehr Aufmerksamkeit: „Wir haben vergleichsweise viele Zuschauer:innen und sogar zwei Fanklubs, aber ansonsten schauen vor allem Freunde und Familien zu. Es wäre schön, wenn sich auch andere Menschen für die Spiele interessieren.”
Horst Hrubesch, HSV-Legende und ehemaliger Frauen-Bundestrainer, mahnt: „Nur leere Worte werden nicht reichen. Der DFB muss ein Programm entwickeln, das wirklich greift. Die Basis muss wesentlich breiter aufgestellt werden.“
Rund 130 Vereine in Hamburg bieten Fußball für Frauen und Mädchen an
In Hamburg kicken rund 18.000 Frauen und 8000 Mädchen in einem der rund 130 Vereine, die ein Angebot haben. Die Zahlen sind seit Jahren stabil, zuletzt gab es einen kleinen Aufschwung. „Gerade die Jüngeren lechzen danach, in die Vereine zu gehen“, hat Andrea Nuszkowski beobachtet, die im Präsidium des Hamburger Fußball-Verbands (HFV) für Frauen- und Mädchenfußball zuständig ist: „Die EM ist ein riesengroßer Schritt. Aber die Akzeptanz in den Vereinen muss auch da sein.“ Man kann Fußball von Frauen und Männern nicht vergleichen, aber in einer Großstadt konkurrieren sie um ein knappes Gut: Plätze, auf denen gespielt und trainiert werden kann.
Plätze und Trainer:innen fehlen: Probleme bei der Nachwuchsarbeit
„Wir haben im Dezember mit sieben Frauen angefangen, mittlerweile sind wir 16. Das ist aber zu wenig, um eine ganze Saison durchzuziehen“, berichtet Armin Lange, Obmann und Trainer beim SC Hamm 02. Deshalb spielt Hamm in einer Staffel für Teams mit sieben statt elf Spielerinnen. Die Nachwuchsarbeit gestaltet sich aber schwierig: „Mädchen-Teams zu gründen wäre im Prinzip möglich, aber du kriegst die Trainer nicht. Da gehen viele immer noch lieber in den Männerbereich.“
Ein Effekt, den auch Tralau beim ungleich größeren ETV kennt. „Unsere Trainerinnen spielen fast alle bei uns. Wir leben extrem davon, den Bedarf aus den eigenen Reihen zu füllen.“ Dass die B-Mädchen nun in die Bundesliga aufgestiegen sind, ist ein Riesenerfolg für den Verein – und ein Problem. Denn die Talente, die am Wochenende in Bremen, Berlin und Magdeburg antreten, fallen als Nachwuchstrainerinnen aus.
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„Seit fünf Jahren bekommen wir mehr Frauen in die Trainerausbildung“, sieht Andrea Nuszkowski vom HFV diesbezüglich Fortschritte. Mit der Österreicherin Magdalena Schiefer wurde auch dafür eine Verbandssportlehrerin eingestellt – damit der Boom länger anhält als einen Sommer.