Auf die Straße! Warum dieser CSD so besonders ist
Noch nie haben sich so viele Gruppen angemeldet, in keinem Jahr zuvor hat das Team von „Hamburg Pride“ mit so vielen Menschen auf den Straßen gerechnet: Der heutige CSD verspricht ein besonderer zu werden. Sein Motto zeigt, warum die Demo für die Rechte und auch den Schutz queerer Menschen jedes Jahr aufs Neue so wichtig ist.
Der Raum nahe der Hauptfeuerwache am Berliner Tor ist voller Menschen. Erwartungsvoll schauen sie nach vorne, dorthin, wo Dominik Maggi-Beiroth gerade anfängt zu sprechen. „Lauter“ tönt es von hinten. Maggi-Beiroth lacht, er hebt die Stimme. Für die kommenden zwei Stunden wird er ausgezeichnet zu verstehen sein. Der Abend ist eine Premiere für ihn. Maggi-Beiroth arbeitet eigentlich als Mediengestalter in einer Agentur.
Am Samstag aber wird er für „Hamburg Pride“ zum ersten Mal als Demo-Leiter den CSD koordinieren – mit direkter Funkverbindung zur Polizei und mehreren Dutzend Helferinnen und Helfern, die wie er ehrenamtlich im Einsatz sind. Dazu kommen mehr als 300 Ordnerinnen und Ordner. Eine logistische Mammutaufgabe. Beim „Wagenleitertreffen“, das Maggi-Beiroth an diesem Abend leitet, wird von Absperrseil bis Radkappenschutz all das besprochen, was nötig ist, damit der CSD wieder sicher und möglichst reibungslos abläuft.
Mehr als 250.000 Menschen werden rund um den bunten Protest erwartet – der Demo-Zug schlängelt sich länger durch die Straßen als je zuvor: 82 Gruppen haben sich angemeldet, darunter allein 30 Trucks. Das Lesbennetzwerk Hamburg ist vertreten, ebenso der Queer Refugees Support der Stadt und Vereine wie der FC St. Pauli. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kommt, die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) ebenfalls. Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, spricht auf der Abschlusskundgebung.
Die zunehmende Gewalt gegenüber queeren Menschen bewegt uns sehr und wir sind nicht bereit, diese Entwicklung hinzunehmen.
Nicole Schaening und Christoph Kahrmann (Hamburg Pride)
2020 und 2021 musste vom Fahrrad aus demonstriert werden, die Corona-Pandemie ließ nichts anderes zu – jetzt ist der Wunsch nach Sichtbarkeit umso größer, das stellen auch die beiden Co-Vorsitzenden von „Hamburg Pride“, Nicole Schaening und Christoph Kahrmann fest: „Wir spüren in der Community eine große Sehnsucht nach dem regulären CSD. Nach der Möglichkeit, sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen, für unsere Rechte gemeinsam auf die Straße zu gehen.“
CSD in Hamburg: Nach der Fahrrad-Demo wieder mit Trucks und Fußgruppen
Rechte, die auch im Jahr 2022 nicht selbstverständlich sind, ebenso wenig wie ein Leben ohne Angst: Bundesweit wurden 2021 mehr als 1000 Straftaten von entsprechender Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen polizeilich gemeldet, in Hamburg waren es 67 – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Die Fälle, die aus Furcht oder Scham erst gar nicht zur Anzeige gebracht werden, fehlen in dieser Statistik.
„Die zunehmende Gewalt gegenüber queeren Menschen bewegt uns sehr und wir sind nicht bereit, diese Entwicklung hinzunehmen“, sagen Schaening und Kahrmann. „Auf die Straße! Vielfalt statt Gewalt“ lautet deshalb das Motto des diesjährigen CSD. Eine Botschaft, die ihre Dringlichkeit nicht dadurch verliert, dass sie auch mit lauter Musik und mit Sektflasche in der Hand auf die Straße gebracht wird. Im Gegenteil. „Auch Feiern kann ein politisches Statement sein“, sagt Manuel Opitz, Pressesprecher von „Hamburg Pride“. „Der CSD ist der Tag im Jahr, an dem man das Gefühl hat, als Minderheit von einer breiten Masse getragen zu werden.“ In Hamburg wird sie diesmal besonders groß sein.
CSD in Hamburg: Hier wird demonstriert und gefeiert
Die CSD-Demo startet am Samstag gegen 12 Uhr an der Langen Reihe/ Ecke Schmilinskystraße. Die Route führt rund vier Kilometer durch die Stadt über Kirchenallee, Steinstraße, Speersort, Mönckebergstraße, Glockengießerwall und Lombardsbrücke zum Neuen Jungfernstieg/ Ecke Jungfernstieg.